Es war ein kurzer Satz von Theo Francken, der allerdings keine große Aufmerksamkeit erfuhr. Als die Sache mit den Sudanesen im Dezember hochkochte, sagte Francken: "Wir werden das überprüfen müssen. Denn solche Behauptungen hat es schon in anderen Ländern gegeben. Sie haben sich immer als falsch erwiesen."
So oder so ähnlich drückte Francken sich aus. Doch die Möglichkeit, dass die sudanesischen Flüchtlinge vielleicht nicht die Wahrheit gesagt hatten, als sie von Misshandlungen in ihrer Heimat nach ihrer Rückführung aus Belgien berichteten, wurde von Oppositionspolitikern - und übrigens auch den Medien - nicht aufgegriffen. Zu glaubwürdig klangen die Aussagen der Flüchtlinge. Folter im Sudan? Natürlich! In diesem Staat herrscht eine schlimme Diktatur. Klar, dass jeder zurückgeführte Flüchtling dort mit Folter rechnen muss.
Gestützt wurden die Aussagen der Sudanesen ja auch noch durch das Tharir-Institut, eine international anerkannte Einrichtung, die sich unter anderem um Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte im Nahen Osten kümmert.
Also, warum lange rumfackeln? Der von vielen sowieso ungeliebte Francken wurde schnell zum Ziel aller Attacken. Sogar sein Rücktritt wurde vehement gefordert. Und als das nicht passierte, kam letztlich auch Premierminister Charles Michel in die Kritik.
Der tat dann das einzig Richtige: Er ließ die Behauptungen der Sudanesen - wie schon von Francken gefordert - tatsächlich überprüfen. Außerdem verhängte er einen Rückführungsstopp für alle Sudanesen in ihre Heimat für die Zeit der Überprüfung. Auch das eine richtige Entscheidung. Denn damit folgte Michel einer einfachen Logik, die übrigens auch bei jedem Gerichtsverfahren angewendet wird: Es gibt einen Vorwurf, es gibt einen vermeintlich Schuldigen - wer Recht hat, das wird geprüft.
Im Fall der Sudanesen liegt das Urteil jetzt vor. Und es zeigt: Francken und damit die Regierung Michel haben sich falschen Behauptungen ausgesetzt gesehen. Oder zumindest Behauptungen, die Zweifel zulassen. Und dann muss für Francken und die Regierung auch das gelten, was bei jedem Gericht gilt: Im Zweifel für den Angeklagten.
Premier Michel kann das als seinen Sieg verbuchen. Erstens hat er richtig gehandelt, zweitens gibt ihm das Ergebnis der Untersuchung recht. Michel hat immer betont, dass seine Regierung sich an alle internationalen Vorschriften in Sachen Flüchtlinge hält. Dass es keine Übertretungen gebe. Das bestätigt der Bericht, mit wenigen kleinen Nuancen.
Und den Autoren kann man nun wirklich kaum Parteilichkeit vorwerfen. Die sowieso schon als unabhängig und neutral geltende CGRA hat für den Bericht mit der Flüchtlingsorganisation der Vereinten Nationen und der Internationalen Organisation für Migration zusammengearbeitet. Alles Anwälte von Flüchtlingen, Migranten und ihrer Rechte.
Für die Opposition ist der Bericht von Freitag allerdings quasi ein Tiefschlag. Sie sollte daraus Lehren ziehen. Denn Kritik der Opposition nimmt man nur dann ernst, wenn sie begründet ist. Im Fall der Sudanesen war sie nicht begründet. Es war Poltern auf falscher Grundlage. Poltern, weil man Poltern wollte.
Ein etwas kühlerer Kopf hätte da gut getan. Und der ist auch in Zukunft gefragt, von allen Betroffenen, wenn es um das Schicksal der Flüchtlinge in Belgien geht.
Kay Wagner