Was muss noch alles passieren, damit die Michel-Regierung erwacht und dem Spuk um Tihange und Doel ein Ende bereitet? Oder, besser gefragt: Was hindert sie daran, die Rissereaktoren abzuschalten?
Ein Antwortversuch: Vieles weist hin auf eine unselige Verquickung von politischen Verantwortungsträgern, Atomaufsicht, Nuklearindustrie und Atomlobby. Ein Bericht unabhängiger Prüfer kommt zu dem Schluss, dass zumindest die Unabhängigkeit der belgischen Atomaufsichtsbehörde FANK von Politik und Wirtschaft in Frage zu stellen ist.
Tatsache ist, dass sich die Experten uneinig sind in der Beurteilung, ob die Risse in den Pannenmeilern Tihange 2 und Doel 3 ein Bersten des Reaktordruckbehälters begünstigen können. Die Föderalregierung und die FANK schließen eine solche Gefahr aus. Sie verkennen dabei offenbar, dass im Fall einer Fehleinschätzung der Lage weite Teile des eigenen Landes und der Nachbarstaaten Niederlande, Luxemburg und Deutschland unbewohnbar würden. Oder, nehmen die belgischen Entscheider das Risiko einfach in Kauf? Das wäre ungeheuerlich verantwortungslos und nur damit zu erklären, dass die Verstrickungen auch mit Bestechung und Selbstbereicherung zu tun haben könnten. Ein schlimmer Verdacht, der sich hoffentlich als haltlos erweist.
Fest steht: Eine Neuausrichtung der Energiepolitik wird in Belgien seit Jahren verschlafen. Das Land ist abhängig vom Atomstrom: energietechnisch und finanziell. Das finanzschwache Königreich hängt am Tropf der Atomindustrie und der AKW-Betreiber, die dem Staat Milliarden in die siechen Kassen spülen und gleichzeitig selbst gigantische Gewinne erzielen. Da wäscht gerne eine Hand die andere. Die Herren begegnen sich in Aufsichts- und Verwaltungsräten und spotten über die "Panikmacher" jenseits der Landesgrenzen. Denn in Belgien selbst bleibt die Mehrzahl der Bürger seltsam stumm. Überzeugenden Widerstand leisten hierzulande überwiegend grüne und einige christlich-soziale Politiker. Und immerhin konnte sich das Parlament der Deutschsprachigen Gemeinschaft zu einer Resolution durchringen, die das Abschalten der Reaktoren verlangt, so lange die Sicherheitsfragen nicht geklärt sind.
Ganz anders sieht es bei den Nachbarn aus: In Deutschland, den Niederlanden und Luxemburg hat sich eine geschlossene Allianz gegen Tihange gebildet. 50 Verwaltungschefs aus den grenznahen Kommunen überreichten in dieser Woche in Brüssel EU-Parlamentspräsident Martin Schulz einen Fragenkatalog. Schulz soll dieses sogenannte Auskunftsersuchen an das zuständige EU-Kommissariat weiterleiten. Vor allem erhoffen sich die regionalen Verwaltungschefs mehr Informationen über den von ständigen Stör- und Ausfällen betroffenen Meiler Tihange 2. Hintergrund: Die Nachbarn vermuten - wohl nicht zu Unrecht - ein geheimes belgisches Stillschweigeübereinkommen und damit zurückgehaltene, geheime und damit beunruhigende Informationen.
Martin Schulz hat sich mit seinen Besuchern in Brüssel solidarisch erklärt und in Aussicht gestellt, dass die EU im Falle eines Verzichts auf den Strom von Tihange 2 und Doel 3 dem Land "monetär" helfen werde.
Unterdessen vergeht kaum ein Tag, an dem Meldungen über Proteste, eingeleitete Gerichtsverfahren und lancierte Petitionen gegen Tihange die Redaktionen erreichen. Kaum ein Tag, an dem nicht besorgte Bürger ihr Unverständnis über die als "belgisch" und geradezu surreal bezeichnete Haltung zu den Problemreaktoren äußern. Diese Menschen haben - fast - nichts mehr gemeinsam mit den früheren Aktivisten aus der Anti-Atomkraft-Szene. Es sind überwiegend Bürger aus der Mitte der Gesellschaft, die sich sorgen und sich wehren. Es sind vor allem Deutsche, Niederländer, Luxemburger. Und es sind immer noch nur wenige Belgier dabei. Vielleicht, weil sie nicht glauben wollen, dass die politisch Verantwortlichen in diesem Land ihrer Verantwortung nicht gerecht werden. Diese sprichwörtliche belgische Gelassenheit, so sympathisch sie oft auch sein mag, ist hier völlig fehl am Platze. Ebenso wie der von Minderwertigkeitskomplexen angefeuerte belgische Trotz gegenüber allen "Belehrungen" aus Deutschland. Dies nach dem Motto: Sollen die doch ihre Kohlekraftdreckschleudern erst einmal stilllegen, bevor sie uns sagen, was wir zu tun haben! Irrtum: Ein Bröckelmeiler wie Tihange 2 birgt ganz andere Risiken als etwa das Braunkohlekraftwerk Weisweiler.
Im übrigen: Auch wenn Europa in diesen Zeiten oft versagt, die Atompolitik und Atomaufsicht dürfen nicht weiter Sache der Nationalstaaten bleiben, sondern müssen unter das Dach der EU gestellt werden. Dazu gibt es nun wirklich keine Alternative. Und die gibt es auch nicht zu der Forderung, die Uralt-Kernkraftwerke stillzulegen. Sonst könnten die Lichter nicht nur vorübergehend, sondern für immer ausgehen.
Rudi Schroeder
Wenn man keine Argumente mehr hat, dann kommen die Unterstellungen, Verleumdungen, Beschuldigungen und Beleidigungen. Mir ist unverständlich wie ein öffentlicher Sender Platz hat für unbewiesene Anschuldigungen und zuläst dass man Menschen krimineller Taten wie Bestechung beschuldigt, Klüngel unterstellt oder Verantwortungslosigkeit vorwirft ohne auch nur einen Beweis zu erbringen. Immer mit Dreck werfen, es bleibt wohl immer etwas hängen. Unterste Schublade.
Vielen Dank für diesen Kommentar, der hoffentlich noch mehr Menschen aufrüttelt und deutlich macht, dass wir uns auf die Politik in der Frage um die Schrottreaktoren nicht verlassen können. Es ist unfassbar, wie hier mit fadenscheinigen Argumenter
die Sicherheit von Millonen Menschen auf's Spiel gesetzt wird. Auch als Belgierin bin ich sehr besorgt und kann in dem Fall den Vorwürfen der Nachbarländen nur zustimmen. Abschalten! Jetzt!
Kommentare werden wohl nur veröffentlicht wenn man lobpreist. Ich finde diesen Kommentar nicht besser als die Polemik der AFD oder aber die anonymen Schimpftiraden im Internet. Unterstellungen und Verleumdungen.
Es ist doch eine Tatsache, dass Menschenleben zugunsten finanzieller Interessen aufs Spiel gesetzt werden. Was hat das mit Polemik zu tun? Fakt ist, dass die maroden Dinger vom Netz gehen müssen. Sofort! Mich erstaunt die Gleichgültigkeit vieler im Ernstfall betroffener Menschen, die die Gefahr verdrängen oder sich derer nicht bewusst sind.
„Rissereaktoren, Pannenmeiler, Problemreaktoren, Uralt-Kernkraftwerke“.
„Verstrickung, Bestechung, Selbstbereicherung, ein geheimes belgisches Stillschweige übereinkommen“.
Herr Schröder, sind Sie Chef-Redakteur von der „BILD-Zeitung“?
Und wer redet über Cattenom??? Aber die Deutschen wollen Herrn Hollande doch nicht brüskieren!!! Aber auf die kleinen Belgier hauen...
Lieber Herr Schröder , bitte nennen Sie Ross und Reiter beim Namen, damit diese hinter Schloss und Riegel kommen. Bitte veröffentlichen Sie Ihre Beweise und die geheimen Informationen .Können Sie die genauen Beträge aufschreiben , die die AKW-Betreiber(Namen bitte nennen ) ,der belgische Staat und der "UnterHand" bekommen-zum Zurückzahlen an die Endkunden. Frage: wo ist in Belgien ein Endlager und wer wird dieses bezahlen ? Antwort erwünscht...bis30/06/2016 Danke!
Lieber Herr Meyer, sind Sie wirklich so naiv?
Ja , Herr Velz .
Herr Rudi Schroeder kann mir zeigen , wie gut er als Journalist recherchieren kann (bzw der BRF) und den Mut hat die Antworten auf meine Fragen einfach zu veröffentlichen .
Herr M., glauben Sie überhaupt noch an sich selbst?
Der Redakteur vom BRF wird wissen wovon er schreibt, ja ich behaupte sogar, dass die Wahreit noch um einiges schlimmer ist als Herr Schröder der Zensur bzw. unseren sensiblen "Mitbürgern zumuten" wollte.
Glücklicherweise gibts bei mir einen Plan-B, dass ich der hochwahrscheinlichen Nuklearkatastrophe innerhalb weniger Stunden dauerhaft aus dem Weg gehen kann nach Skandinavien, während der Rest hauptsächlich auf gute Jodtabletten "hoffen" darf.
Erwünschte Antworten von BRF nicht erhalten (21. Juni 2016 - 11:50 )- Schade...
"Denn in Belgien selbst bleibt die Mehrzahl der Bürger seltsam stumm."
Dieser Satz von Rudi Schroeder - trifft auf den BRF mit 3 Finger dadurch selber
zurück.
Mir fehlt: praktische preiswerte Ideen für Energieproduktion bzw -sparen - sehen Sie hier bitte eine Ecke dafür vor . Danke