Heiter und vergnügt, ja geradezu frivol ging es in der vergangenen Woche im Lütticher Opernhaus zu. "La Vie Parisienne" ist eines der populärsten Stücke von Jacques Offenbach, dem unbestrittenen König der Operette. Offenbach stammte ja ursprünglich aus Köln und wurde als Jugendlicher von seinem Vater nach Paris geschickt, um dort am Konservatorium zu studieren. Und so wurde aus dem Kölner Jakob Offenbach Jacques Offenbach aus Paris.
Als "Kölsche Jung" hatte der junge Komponist trotz seiner jüdischen Wurzeln eine enge Verbindung zur Musik der einfachen Bevölkerung, und so komponierte er vor allem Musik, die schwungvoll und heiter war und sowohl die breite Masse als auch die "Haute Volée" begeisterte. Dabei ist aber in all seinen Werken eine gewisse satirische Ironie zu finden, mit der er sich über die Sitten und Gebräuche seiner Zeit lustig macht.
Handlung
Das ist auch in "La Vie Parisienne" nicht anders - oder "Pariser Leben", wie die Operette aus dem Jahr 1866 in der deutschen Übersetzung heißt. Die Handlung dieses Werks ist mindestens so komplex wie die Pariser Gesellschaft der Belle Epoque, und alles beginnt am Bahnhof, wo einige gut betuchte Ausländer mit dem Zug ankommen, um in Paris frivole Abenteuer zu erleben.
Die Mitarbeiter der "Ligne de l'Ouest" begrüßen in einer bunten Eröffnungsszene die reichen Ankömmlinge, die sich einige Wochen lang in Paris vergnügen wollen. Sofort machen sich einige Einheimische daran, diese wohlhabenden Ausländer zu umgarnen. Im Anschluss entwickelt sich ein fröhliches Durcheinander von Verkleidungen und Schwindeleien, Dinnerparties und Besäufnissen, Dreiecksbeziehungen und Techtelmechteln. Trotz der komplexen Handlung ist das Ganze sehr kurzweilig und unterhaltsam, und als Zuschauer in der heutigen Zeit stellt man sich unweigerlich die Frage, ob es in den Pariser Salons des Zweiten Kaiserreichs tatsächlich so zügellos zugegangen ist. Wenn dem wirklich so war, dann hat die Pariser Oberschicht mit Sicherheit sehr viel Spaß gehabt.
Zwei Besonderheiten
Bei der Lütticher Aufführung von "La Vie Parisienne" gab es übrigens zwei auffällige Besonderheiten. Zum ersten ist die Produktion eine Zusammenarbeit der Opernhäuser von Lüttich, Rouen, Paris, Montpellier, Limoges und Tours mit dem Palazzetto Bru Zane, dem Zentrum für französische Musik der Romantik. Dieses Zentrum setzt sich dafür ein, selten gespielte oder unbekannte Werke von Komponisten aus dem 19. Jahrhundert wiederzuentdecken und dem Publikum zugänglich zu machen.
Jetzt ist "La Vie Parisienne" natürlich alles andere als ein seltenes Werk, aber schon kurz nach der Uraufführung wurde die Operette zum Teil stark verändert und umgearbeitet. Die Mitarbeiter von Palazzetto Bru Zane hatten sich zum Ziel gesetzt, die Musik von Offenbach so zu rekonstruieren, wie sie ursprünglich bei der Premiere am 31. Oktober 1866 im Théâtre du Palais-Royal in Paris geklungen hat. Und dazu haben sie unter anderem Manuskripte studiert und überarbeitet, die erst vor kurzem der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sind.
Premiere für Christian Lacroix als Regisseur ...
Die zweite Besonderheit der Lütticher "Vie Parisienne" ist die Regie; die lag nämlich in den Händen des bekannten Pariser Modeschöpfers Christian Lacroix. Lacroix entwirft schon seit vielen Jahren Kostüme für Opern- und Operettenaufführungen, aber "La Vie Parisienne" ist die erste Bühnenproduktion, bei der der ehemalige Haute-Couture-Modedesigner selbst Regie führt. Und diese Regie ist spektakulär und bunt, frivol und mit einem guten Schuss Travestie, wie man es von Christian Lacroix erwarten kann.
... und für Romain Dumas als Dirigent des Lütticher Orchesters
Ich will es auch nicht versäumen, den jungen Dirigenten Romain Dumas zu erwähnen, der das Lütticher Orchester zum ersten Mal bei einer Produktion dirigierte. Die Musiker der Opéra Royal de Wallonie spielten wie immer auf einem sehr hohen Niveau, das Ensemble sang und schauspielerte herzerfrischend, und die Solisten konnten das Publikum im Allgemeinen überzeugen, wenn auch keiner von ihnen qualitativ wirklich herausragte.
Alles in allem eine sehr gelungene und unterhaltsame Endjahresproduktion der Königlichen Oper der Wallonie, die Lust auf mehr macht. Und mehr gibt es dann schon Ende Januar mit de Belcanto-Meisterwerk "La Sonnambula" von Vincenzo Bellini.
Patrick Lemmens