Es ist wieder so weit: Im Brüsseler Kulturzentrum Flagey findet diese Woche die erste Runde des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs statt. Dabei wird der Wettstreit erst zum zweiten Mal überhaupt für Cellisten organisiert, nach 2017, als der Franzose Victor-Julien Laferrière sich als Sieger der ersten Ausgabe des "Concours Reine Elisabeth" für Violoncello in die Geschichtsbücher spielte.
Unter dem Namen "Concours Eugène Ysaÿe" wurde der Wettbewerb 1937 von der damaligen belgischen Königin und Musikliebhaberin Elisabeth ins Leben gerufen. In den Anfangsjahren wurde er abwechselnd für Violine und für Klavier ausgerichtet, 1988 kam dann der Gesang hinzu.
Seit 2017 gehören eben auch Cellisten zum erlauchten Kreis jener Musiker, die sich nach vier Wochen Blut, Schweiß und Tränen als Preisträger des Königin Elisabeth-Wettbewerbs bezeichnen dürfen. Diese Auszeichnung hat in der Vergangenheit schon vielen jungen Musikern einen großen Schub in Richtung einer internationalen Solistenkarriere gegeben.
Für die Ausgabe von 2022 hatten sich bis zum vergangenen Dezember insgesamt 158 junge Cellistinnen und Cellisten mittels eines Bewerbungsdossiers und eines Videos beworben. Aus diesen 158 Einsendungen hat die internationale Fachjury 68 Kandidaten ausgewählt und für den Monat Mai nach Brüssel eingeladen.
Es handelt sich um 20 junge Damen und 48 junge Männer im Alter von 18 bis 31 Jahren. Sie kommen aus insgesamt 26 Ländern, und unter ihnen ist erfreulicherweise auch eine junge Dame aus Belgien, nämlich Stéphanie Huang, die jüngere Schwester der hierzulande bestens bekannten Violinistin Sylvia Huang, die ja 2019 selbst am "Concours Reine Elisabeth" teilgenommen hat und dort nicht nur Finalistin wurde, sondern auch die beiden Publikumspreise gewann.
Die Länder mit den meisten Kandidaten bei der Vorrunde in Brüssel sind die Vereinigten Staaten von Amerika, Südkorea, Deutschland und Frankreich, das ja beim ersten Königin-Elisabeth-Wettbewerb für Cello vor fünf Jahren vier der zwölf Finalisten stellte.
Bei der Auswahl der Kandidaten hat die Jury übrigens Wert darauf gelegt, niemanden wegen seiner Nationalität auszuschließen. Vor dem Hintergrund des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine bekräftigen die Organisatoren in Brüssel ihre Ablehnung des Konflikts, wollen aber auch mit dem Zulassen von insgesamt vier russischen Teilnehmern beim Wettbewerb die Rolle von Musik als friedensstiftenden und verbindendem Medium unterstreichen.
Der Königin-Elisabeth-Wettbewerb 2022 für Cello läuft noch bis zum letzten Finaltag am 4. Juni - dann wird bekannt sein, wer die Nachfolgerin oder der Nachfolger von Victor-Julien Laferrière sein wird. Auf die Finalisten der diesjährigen Ausgabe wartet bis dahin aber noch viel Arbeit - zunächst in der ersten Runde in dieser Woche.
Hier müssen alle Kandidaten ein Rezital präsentieren. Dafür wählen sie neben einer Sonate von Luigi Boccherini mit Cellobegleitung und dem ersten Satz der Solosonate von Eugène Ysaÿe ein modernes Werk mit Klavierbegleitung aus; zur Wahl stehen ihnen dafür das "Phantasiestück" von Paul Hindemith, "Nocturne" von André Jolivet und die beiden ersten Sätze aus "Pohádka" von Leoš Janáček.
Wegen zweier kurzfristiger Absagen werden sich diese Woche insgesamt 66 Kandidaten der Jury stellen. Aufgrund der großen Zahl an Auftritten innerhalb von nur sechs Tagen werden nicht alle jungen Solisten von denselben Jurymitgliedern bewertet. Die Jury unter Vorsitz von Flagey-Generaldirektor Gilles Ledure wird sich die Mammutaufgabe teilen und jeder Juror wird nur an bestimmten Tagen im Einsatz sein. Die Jury der diesjährigen Ausgabe des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs ist im übrigen hochklassig besetzt, mit so schillernden Namen wie Gautier Capuçon, Myung-Wha Chung, Mischa Maisky und Marie Hallynck.
Am kommenden Samstag nach Mitternacht wird sie das Resultat der Vorrunde auf der Webseite des "Concours" veröffentlichen. Dann werden wir wissen, welche 24 Talente es ins Halbfinale geschafft haben, das schon in der kommenden Woche (ab dem 16. Mai) auf dem Programm steht.
Patrick Lemmens