"Noch 100 Tage: Der Countdown kann starten", hieß es am Mittwoch auf der offiziellen Instagram-Seite von Rock Werchter. Die bösen Kommentare blieben nicht aus. "Unverantwortlich", "bleibt realistisch" oder "schämt euch", waren die Reaktionen. Die Leute nahmen es übel, dass die Organisatoren in dieser Botschaft mit keinem Wort die weltweite Pandemie erwähnten. "So als ob nichts los wäre."
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Auf ihrer Instagram-Seite haben die Macher von Rock Werchter inzwischen auf die Kritik reagiert: "Der gestrige Beitrag war nicht unsere beste Idee", konnte man dort lesen.
Und dann wurde aber auch klargestellt: "Wir verstehen Ihre Fragen und Bedenken, aber im Moment ist es noch unsicher, ob und wie lange die derzeitigen Maßnahmen (öffentliche Versammlungen in Belgien sind bis zum 5. April verboten, Anm. d. Red.) verlängert werden. Wir beobachten die Situation", heißt es. "Wenn es sein muss, werden wir absagen, aber noch ist es zu früh."
Van Ranst: "Einfach unmöglich"
Stellt sich die Frage, worauf die belgischen Festivals eigentlich noch warten. Die Vorzeichen sind jedenfalls tatsächlich ungünstig. Der Epidemologe Pierre Van Damme und der Virologe Marc Van Ranst sind der Ansicht, dass keine Sommerfestivals stattfinden sollten, da es zu riskant sei, im Sommer Menschen in großer Zahl zu versammeln.
In der VRT-Sendung "De afspraak" sagte Van Ranst am Mittwochabend: "Viele Maßnahmen können bis dahin zurückgeschraubt werden. Wir werden aber erst in der Lage sein, darüber zu sprechen, sobald der Höhepunkt der Epidemie vorbei ist. Die Maßnahmen werden scheibchenweise zurückgefahren, um eine Deeskalation zu erreichen. Und große Massenveranstaltungen werden natürlich ganz am Ende dieser Serie stehen", so Van Ranst.
"Nehmen Sie Tomorrowland: Bis zum Festival werden die größten Probleme in unserem Land hoffentlich vorbei sein. Aber Menschen, die aus der ganzen Welt zu uns kommen - das ist einfach unmöglich."
Timing
Absagen oder nicht - das ist auch eine Frage des Timings. Für das Glastonbury-Musikfestival startet schon am 1. April der Bühnenaufbau. Glastonbury ist viel größer als unsere Festivals und muss deshalb früher beginnen. Wenn sie das verschieben müssten, würden sie niemals rechtzeitig fertig werden.
Die Werchter-Bühne wird ab dem 1. Mai aufgebaut. Mit dem Bau der Tomorrowland-Bühne beginnt man erst im Juni. Und für diese Daten gibt es einfach noch keine Richtlinien.
Jetzt ließe sich vielleicht argumentieren, dass es die für die Olympischen Spiele Ende Juli auch noch nicht gibt. Der Unterschied ist aber, dass ein olympisches Dorf eine kleine Welt ist, die sich ständig bewegt, mit Tausenden von Athleten und ihrem Trainerstab. Außerdem müssen diese Athleten in Form sein, und viele Qualifikationsturniere werden jetzt gerade abgesagt.
Ein Festival ist da viel flexibler. Man kann Konzerte problemlos kurzfristig absagen. Und Tomorrowland meldet dementsprechend, dass es bislang noch keine Absage eines Künstlers gab. Mit Sicherheit spielen da aber auch rechtliche Aspekte eine große Rolle. Wenn der Künstler sich abmeldet, verliert er seine Gage. Wenn die Festivalorganisatoren jetzt absagen, werden sie die Gage wohl zahlen müssen, weil man für diese Termine nach dem 5. April noch keine höhere Gewalt gelten lassen kann. Man muss einfach warten, was die Regierung entscheidet.
Eupen Musik Marathon
Auch für den Eupen Musik Marathon, der am 16. und 17. Mai stattfinden soll, gibt es noch keine Gewissheit. "Eine Durchführung scheint momentan unwahrscheinlich", sagt René Janssen von Chudoscnik Sunergia. Auch er wartet mit Spannung darauf was der Nationale Sicherheitsrat am Freitag entscheidet.
Bislang gibt es also keine Absage für den Eupen Musik Marathon, aber man denkt schon über einen Plan B nach. Das könnte eine Absage sein oder das Verlegen auf einen anderen Termin. Was nicht so einfach ist, denn Chudoscnik Sunergia ist nicht die einzige Kulturvereinigung die neue Termine sucht. Irgendwann gibt es einfach keine Möglichkeit mehr.
Und für Künstler müsse eigentlich das gleiche gelten, wie für Sportler, sagt René Janssen. Sie können zur Zeit nicht richtig trainieren. Orchester können nicht zusammen proben. Und da könne man nicht sofort am Tag nach Ende einer Sperrfrist eine Topleistung bringen.
Theoretisch könnte es einen Festivalsommer geben. Aber zu erwarten ist, dass es noch eine ganze Reihe von Absagen geben wird in nächster Zeit.
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