Eines der ambitioniertesten Projekte der diesjährigen Opernsaison, die Mozart-Da-Ponte-Trilogie, darf als ein Erfolg angesehen werden. "Le Nozze di Figaro", "Don Giovanni" und "Cosi Fan tutte" zu einem großen Ganzen zusammen zufügen, ergibt nach Abschluss der Trilogie Sinn. Sicher musste man seine Sehgewohnheiten ein wenig ändern, erweitern und offen sein für eine Sichtweise, die letztendlich sehr schlüssig wirkt. Das Regiekollektiv Le Lab um Jean-Philippe Clarac und Olivier Deloeuil hat die drei Opern zu einer Mini-TV Serie zusammengefügt.
Alle drei Opern spielen an einem einzigen Tag, wir begegnen den Personen aus "Figaros Hochzeit" auch in "Don Giovanni" und "Cosi fan tutte", so werden die drei Stories sinnvoll miteinander verknüpft. Sicher war der erste der drei Abende mit "Figaros Hochzeit" eine kleine Herausforderung. Da tauchen zwei Feuerwehrmänner auf und tragen gleich zum Auftakt die Leiche des Komturs von der Bühne, womit wir schon eine Blick auf "Don Giovanni" werfen und die Feuerwehrleute sind Guglielmo und Ferrando, also die beiden männlichen Protagonisten aus "Cosi fan tutte".
So fließt eins ins andere über, aber dies ist nie willkürlich, dies ist von einer großen dramaturgischen Stringenz. Nie hat man den Eindruck, dass Mozart hier verraten wird, auch nicht wenn zum Beispiel im "Don Giovanni" die Gräfin Almaviva einen Satz von Donna Elvira übernimmt, sie sind beide in ihrer Gekränktheit und Verbitterung vereint.
Dass das Konzept aufgeht, liegt auch an dem genialen Bühnenbild. Dieser vier Seiten umfassende riesige Setzkasten erlaubt immer wieder neue Einblicke. Über drei Etagen spielt die Handlung und so gibt es parallel zu den gesungenen Szenen weitere Spielszenen oder Videobilder. Wem die Bilderflut zu viel wird, sucht sich eine Perspektive aus, man schafft es ohnehin nicht, alles zu sehen.
Dabei hilft es, dass jeder Oper eine Farbe zugeordnet ist: "Nozze di Figaro" blau, "Cosi" gelb und "Don Giovanni" rot. Jede Oper behandelt einen Aspekt des Hauptthemas, das allen drei Opern innewohnt, Liebe und Sexualität: "Nozze" ist der Handlung entsprechend #MeToo, "Don Giovanni" Liebe und Sex als Mittel der Macht und "Cosi" dem Thema Gender gewidmet. Wobei dies vielleicht die wenig klarste Deutung ist. Sicher, die Darstellung des Don Alfonso entspricht ganz den Klischees, aber sonst geht es doch in erster Linie auch in dieser Inszenierung um das Verhältnis Mann-Frau, und das ist auch gut so.
Getragen wird die Produktion von einem an jedem Abend sehr motiviert aufspielenden Orchester der Monnaie, das mit sehr viel Schwung und Verve von Antonello Manacorda durch die Partirtur geführt wird. Das ist eine historisch hervorragend informierte Mozart-Interpretation.
Alle 13 Sänger entsprechen schon physisch genau den gespielten Figuren, das erlebt man auch nicht alle Tage und fast alle müssen mehrere der insgesamt 25 Rollen übernehmen. Björn Bürger ist als Graf Almaviva und Don Giovanni der überzeugend schmierige Unsympathische, Alessio Arduini übernahm nur eine Woche vor der ersten Aufführungsserie die Rollen des Figaro und Leporello, da der ursprünglich vorgesehene Robert Gleadow sich so schwer verletzt hatte, dass er nicht spielen konnte. Grandios auch die Frauen, allen voran Simona Saturova als Gräfin Almaviva und Donna Anna. Die tollste Verwandlung erlebten wir dank Ginger Costa-Jackson, man konnte kaum glauben, dass sie sowohl den Cherubino in "Figaros Hochzeit" als auch die Dorabella in "Cosi fan tutte" gab, sie war perfekt in ihrer Wandelbarkeit für diese beiden Partien.
Schlussfolgernd darf man die Idee und die Umsetzung als einen Erfolg ansehen und man darf gespannt sein, welche Trilogie Peter de Caluwe in der nächsten Spielzeit präsentiert. Auflösung ist schon in gut zwei Wochen, dann wird das Programm der Saison 20-21 von La Monnaie vorgestellt.
Hans Reul