Der Ansatz ist mehr als rechtfertigt und nachvollziehbar: Warum soll nicht das Ballett eine herausragende Rolle in einer Oper spielen, in der die Hauptfigur ohnehin längere Zeit zum Schweigen verdammt ist?
Die Nymphe Rusalka möchte die Wasserwelt verlassen, sie ist bereit ihre Unsterblichkeit aufzugeben, um die Liebe eines Prinzen zu gewinnen, und der Liebe wegen muss sie aber auf ihre Stimme verzichten. Einmal unter den Lebenden angekommen, muss Rusalka mit ansehen, wie sich der Prinz für eine andere entscheidet.
Rusalka kann weder leben noch sterben. Am Ende bittet der Prinz Rusalka doch um Verzeihung, aber für Rusalka gibt es keine Erlösung. Ihr Kuss bringt dem Prinzen den Tod und sie selber muss weiter als Irrlicht über den Wassern schweben.
Es ist eine Geschichte, die immer wieder berührt. Und in den letzten Jahren ist Dvoraks Meisterwerk in vielen Häusern gezeigt worden. Unvergessen die aktualisierte, hochdramatische und konsequente Inszenierung von Stefan Herheim in der Brüsseler Oper La Monnaie oder auch Ewa Teilmans sehr gut durchdachte und moderne Sichtweise im Theater Aachen.
Die neue Produktion von Opera Ballet Vlaanderen ist ganz anders. Keine Aktualisierung, sondern eine zeitlose Sicht auf ein zeitlos modernes Märchen. Das Bühnenbild besteht aus einer großen Holzkonstruktion, die sich immer wieder dreht, neue Perspektiven eröffnet oder Räume einschließt. Das ist dank einer vorzüglichen Ausleuchtung sehr ästhetisch. Auch die Kostüme sind in ihrer Schlichtheit von zurückhaltender Eleganz.
Der norwegische Regisseur und Choreograph Alan Lucien Oyen hatte nun die Idee, die meisten der singenden Protagonisten durch Tänzerinnen und Tänzer zu doppeln. Mal stehen sie dicht beieinander, mal ist eher der Sänger mit der Tänzerin seines Pendants in "Dialog". Das ist hat auf jeden Falls seinen Reiz, wirkt aber auf die Dauer sehr bemüht, da erstaunlicherweise die Bewegungen der Tänzer an spätromantisch große Gesten erinnern.
Dafür wird aber, bis hin zu den kleineren Rollen, hervorragend gesungen. Aufgrund der dichten Aufführungsfolge sind die Partien von Rusalka und Prinz doppelt besetzt. Bei der Premiere sang Pumeza Matshikiza die Rusalka mit einem sehr warmen, insbesondere in der Tiefe wunderschönen Sopran. Kyungho Kim war ein sehr sicherer Tenor als Prinz, wenn auch etwas scharf in den Höhenlagen. Glänzend Goderdzi Janelidze als Wassermann oder Maria Riccarda Wesseling als Hexe Jezibaba.
Ihr Debüt am Dirigentenpult gab die junge litauische Dirigentin Giedré Slekyte. Sehr souverän führte sie das wie immer glänzend disponierte Orchester der Flämischen Oper durch die sehr farbenreiche Dvorak-Partitur. Bis zum 31. Dezember wird "Rusalka" in Antwerpen gegeben, vom 9. bis 23. Januar in Gent.
Hans Reul