Dass Krzysztof Warlikowski kein Festmenü in Champagnerlaune zum Jahresausklang präsentieren würde, das dürfte jedem klar gewesen sein, der Warlikowskis bisherige Arbeiten kennt. Wenn ein Warlikowski sich der Oper "Les Contes d‘Hoffmann" von Jacques Offenbach annimmt, dann darf man reflektiertes Musiktheater erwarten.
Warlikowskis Liebe zum Hollywood-Kino ist bekannt, und so finden wir auch in seiner Sicht auf "Les Contes d'Hoffmann" deutliche Referenzen an Filmklassiker wie "A star is born" oder "Shining". Wir erleben Hoffmann als einen gealterten, dem Alkohol verfallenen Filmproduzenten, der in den drei Erzählungen die unglücklichen und unvollendeten Liebesbeziehungen zur Puppe Olympia, zur ehemaligen Starsängerin Antonia und zur Kurtisane Giulietta Revue passieren lässt.
Im Antonia-Akt gelingt dies durch die Reduktion auf das Wesentlichste recht gut, leider sind die beiden anderen Akte von soviel zusätzlichen Ideen und Bildern überlagert, dass es nicht nur als ein zu viel angesehen werden kann, sondern beinahe schon beliebig wirkt.
Da dürfen im Olympia-Akt drei Balletttänzerinnen im Marylin-Monroe-Look ihre Trippelschrittchen machen, während parallel dazu drei ältere ehemalige Primaballerinen im Nachthemd mit versteinerten Mienen das Ganze beobachten. Im wahrsten Sinne des Wortes im Zentrum jeden Aktes steht ein Gesangmikrophon, vor dem sämtliche Arien gesungen werden und das auch noch für eine Oscar-Dankesrede zum Schluss genutzt wird. Überhaupt liebt Warlikowski es ja, eigene Texte ins Original einzufügen, die seine Sicht auf das Werk deutlich machen sollen.
Dabei spricht die Musik schon für sich selbst und sie ist bei Alain Altinoglu und dem Orchester von La Monnaie in besten Händen. Altinoglu optiert für eine sehr stringente, niemals süßlich verkitscht wirkende Interpretation. Auch die Leistung der meisten Solisten ist sehr überzeugend.
Gabor Bretz übernimmt die vier teuflischen Rollen der hinterlistig Bösen mit stimmlicher Spannung und Perfektion. Dass er sich im Laufe des Abends immer mehr in den "Joker" verwandelt, war ebenso vorhersehbar wie überflüssig. Eric Cutler lässt uns die Gefühlsregungen Hoffmanns mit perfektem Tenorglanz glaubhaft nachvollziehen und Michèle Losier spielt und singt die Muse und Niklausse in atemberaubender Perfektion.
Aber vor allem ist Patricia Petibon gefordert. Sie hat schon des öfteren die Olympia gesungen. In Brüssel übernimmt sie erstmals die vier Frauenrollen, neben Olympia, Antonia und Giulietta ist sie auch die Stella. Schauspielerisch ist Petibon grandios, in den zahlreichen Videoeinspielungen zeigt sie ihr cineastisches Talent, aber stimmlich lässt sie vor allem in Sachen sauberer Intonation einiges zu wünschen.
Bis zum 2. Januar steht "Les Contes d‘Hoffmann" auf dem Programm von La Monnaie.
Hans Reul