Bizet auf "Carmen" zu reduzieren wäre einfach zu kurz gegriffen. Mit "Les pêcheurs de perles" hat er ein weiteres kleines musikalisches Meisterwerk verfasst. Dass diese "Perlenfischer" nicht den gleichen Erfolg wie Carmen feiern, liegt wohl auch an dem sehr schwachen Libretto.
Erzählt wird die Geschichte von zwei Perlenfischern, den beiden Freunden Nadir und Zurga, die in ihrer Jugend in die hübsche Leila verliebt waren. Aber um ihre Freundschaft zu retten, beschlossen sie, beide zu verzichten. Daraus wird aber nichts, Nadir und Leila werden zueinander finden.
Zurga, der mittlerweile zum Anführer erhoben wurde, wird Leila und Nadir verurteilen, aber letztendlich wird er, nachdem es einige ebenso hanebüchene wie wenig logische Szenen gegeben hat, beiden zur Flucht verhelfen.
Regisseur Yoshi Toda, ein langjähriger Mitarbeiter von Theaterlegende Peter Brook, hat seine Inszenierung in Lüttich schon vor vier Jahren gezeigt. Es ist also eine Wiederaufnahme, deren Stärke weiterhin das abstrakt nüchterne Bühnenbild ohne kitschig dekorative Palmen oder Sandstrände ist, die uns an den Handlungsort, das ehemalige Ceylon, also Sri Lanka, führen sollen.
Ohnehin ist die Musik das Wesentliche und da steht jetzt in Lüttich mit Altmeister Michel Plasson ein Meister des Fachs am Dirigentenpult. Ebenso sicher wie klangschön strahlt die Musik Bizets ihren ganzen Reiz aus.
Diesmal setzt Lüttichs Operndirektor Stefano Mazzonis im Gegensatz zur Aufführungsreihe 2015 nicht auf ein belgisches, sondern französisches Solistenensemble. Herausragend ist der Tenor Cyrille Dubois als Nadir. Er wird zu Recht als einer der Vertreter des französischen Repertoires gefeiert.
Bis Samstag steht "Les pêcheurs de perles" noch auf dem Programm der Lütticher Oper.
Candide
Und außerdem wird am Freitag eine konzertante Fassung von "Candide" von Leonard Bernstein gegeben. Dabei handelt es sich um eine Produktion, die im Sommer mehrfach im Rahmen des Festivals der Wallonie aufgeführt wurde.
Die Idee dazu stammt vom belgischen Dirigenten, Pianisten und Komponisten Patrick Leterme, der sein Orchester auch das "Candide Orchester" nennt. Das ist schon als eine ehrenvolle Verbeugung vor Bernstein zu betrachten.
"Bernstein dirigierte die allerbesten Orchester der Welt, er verstand es auch, eine Musik zu schreiben, die nicht unbedingt Avantgardemusik war, denn ihm ging es immer darum, den Kontakt zum Publikum zu bewahren", sagt Patrick Leterme.
Bei Bernstein denkt jeder gleich an die "West Side Story". "Candide" hat aber seinen ganz besonderen Reiz - "eine Art Pendant zur amerikanischen West Side Story", erklärt Leterme. "Candide ist eine Art Liebeserklärung an Europa, ausgehend vom Text Voltaires."
"Bernstein zeigt hier die amerikanische Sicht auf die Musik und die Kultur Europas und Frankreichs im besonderen. So finden wir etwa Gavotten aber ganz gewiss keinen Jazz, der eben für Bernstein typisch für Amerika ist."
Zum Solistenensemble zählen zwei belgische Preisträger des Königin-Elisabeth-Wettbewerbs für Gesang, nämlich Thomas Blondelle und Shady Torbey.
Hans Reul