Wenn man sich bei der Flämischen Oper auf eines verlassen kann, dann ist es das hohe Niveau von Orchester und Chor. Dies ist auch bei der Eröffnungspremiere wieder der Fall gewesen, und dabei ist Verdis "Don Carlos" alles andere als ein Selbstläufer. Hier sind alle Musiker und Choristen durchgehend gefordert und man durfte gespannt sein auf das Debüt des 45-jährigen Dirigenten Alejo Perez, der mit beeindruckender Sicherheit und ebenso bemerkenswertem Einfühlungsvermögen durch den rund vierstündigen Opernabend führte.
Nicht nur Jan Vandenhouwe ist neu an der Flämischen Oper, mit dem Argentinier Alejo Perez gibt es auch einen neuen Chefdirigenten. Sein Einstand ist mehr als vielversprechend.
In Antwerpen und im Oktober auch in Gent wird die französischsprachige Version von "Don Carlos" gezeigt, eine Oper, in der es um private Liebe und große Politik geht. Don Carlos liebt seine Stiefmutter Elisabeth, die Ehefrau des spanischen Königs Philipp II und möchte zudem für die unterdrückten Flamen kämpfen. Es geht um Macht und Tyrannei des Staates und der Kirche. Viel Stoff für einen Opernabend.
Regisseur Johan Simons, der von 2015 bis 2017 künstlerischer Leiter der Ruhrtriennale war, erzählt die Handlung wie eine Art Flashback des Don Carlos, ein überaus gelungener und nachvollziehbarer Ansatz, der Don Carlos unmittelbar in den Mittelpunkt rückt und vom Interpreten eine fast durchgehende Bühnenpräsenz verlangt.
Im ersten Teil des Abends wird das Bühnenbild zum einen von fast naiver Malerei entsprungenen Landschafts-Projektionen und zum anderen von geometrischen Figuren und Elementen bestimmt. Die Kostüme sollen uns an Breughel erinnern, was bei einigen auch zutrifft, aber ebenso ist Tageskleidung zu sehen, alles wirkt ein wenig beliebig.
Johan Simons kommt vom Theater und das merkt man. Er versteht es, seine Sänger zu führen, vor allem in Leonardo Capalbo hat er einen idealen jungen Don Carlos und Raehann Bryce-Davis kann mit ihrer Bühnenpräsenz eine mit viel Applaus bedachte Prinzessin Eboli singen und spielen. Auch die Szene zwischen Philipp II und dem Großinquisitor ist durch ihre Zurückhaltung großes Theater. Den Chor, der in der Flämischen Oper nicht nur gesanglich stets ein Erlebnis ist, sondern auch in vielen Produktionen durch erfreuliche Spiellust zu begeistern wusste, behandelt er eher ein wenig stiefmütterlich zurückhaltend. Gesungen hat der Chor nichtsdestotrotz wieder einmal auf allerhöchstem Niveau.
Das gilt auch für fast alle Solisten. Capalbo ist ein vorzüglicher Tenor, der die anspruchsvolle Rolle des Don Carlos beherrscht. Mit raumgreifender Stimme und wunderschönem Timbre ist Andreas Bauer Kanabas ein phantastischer Philipp II, ihm gegenüber ist Roberto Scandiuzzi als Großinquisitor eine sichere Bank. Nicht ganz so überzeugend war, ob der Schärfe in den hohen Lagen, Mary Elizabeth Williams als Elisabeth. Alles in allem ist dieser "Don Carlos" eine große Ensembleleistung und ein gelungener Auftakt der Ära Jan Vandenhouwe.
Noch bis zum 9. Oktober wird "Don Carlos" in Antwerpen gezeigt und vom 16. bis 30. Oktober in der Oper Gent. Weitere Informationen gibt es auch unter operaballet.be.
Hans Reul