Pascal Dusapin ist ein gern gesehener und wohl vertrauter Gast in La Monnaie, er fühlt sich hier zuhause. Das ist mehr als nachvollziehbar, denn mehrere seiner insgesamt sieben Opern erlebten in Brüssel ihre Uraufführung. Jetzt folgt mit "Macbeth Underworld" der nächste große Wurf, denn Dusapin stellt wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis, dass er einer der wichtigsten Opernkomponisten unserer Zeit ist.
Schon während der Arbeit an seiner letzten Oper "Penthesilea", die übrigens passend zur neuesten Kreation beim Label Cyprès auf CD herauskommt, hatte er die Idee zu einer neuen Sicht auf Shakespeares dunkles Drama "Macbeth". Gemeinsam mit dem Shakespeare-Spezialisten Frédéric Boyer erarbeitete er ein neues Libretto, in dem auch die Liebesbeziehung zwischen Macbeth und Lady Macbeth Thema sein sollte.
Gesagt, getan, allerdings scheint mir das Libretto der einzige kleine Schwachpunkt in einer ansonsten in jeder Hinsicht sehr gelungenen neuen Macbeth-Oper zu sein. Denn Dusapin versteht es für Stimmen zu schreiben, seine Tonsprache ist ebenso originell wie stets auf der Höhe der Zeit, die Inszenierung von einem weiteren Shakespeare-Experten, dem französischen Regisseur Thomas Jolly ist absolut überzeugend, unterstützt von einem passenden und packenden Bühnenkonzept.
Die Bühne ist der Thematik angemessen sehr düster, Schwarz- und Grautöne dominieren, ab und zu, wenn der Text es verlangt, setzt Bühnenbildner Bruno de Lavenère blutrot ein. Dank der Drehbühne gibt es immer neue Bilder, alles ist in Bewegung, ohne Hektik zu verbreiten. Abgestorbene Bäume wechseln mit Haus- oder gar Burgfassaden, die vom ebenso genial eingesetzten Licht, für das Antoine Travert verantwortlich zeichnet, an alte Stummfilmklassiker von Fritz Lang oder Friedrich Wilhelm Murnau erinnern. Wie sich zum Beispiel in den Riesenbäumen die Choristinnen der Monnaie bewegen und singen, verdient schon unsere höchste Anerkennung.
Überhaupt rein sängerisch darf man von einer Traumbesetzung sprechen. Allen voran Georg Nigl, der Lieblingssänger von Pascal Dusapin. Mit diesem Macbeth fügt Nigl ein weiteres Statement als phantastischer Sängerdarsteller hinzu. Nigl sing nicht nur seine Rolle, er durchlebt sie mit einer Intensität, die ihresgleichen sucht. Mit der Verpflichtung von Magdalena Kozena als Lady Macbeth ist Brüssels Operndirektor Peter De Caluwe ein echter Coup gelungen. Aber ebenso bewundernswert sind die weiteren Solisten. Der Bass Kristinn Sigmundssson als Geist oder Graham Clark, der in der Doppelrolle von Portier und Hecates die Prise englischen Humor einbringt. Besonders erwähnen möchte ich die junge Naomi Tapiola, die am Premierenabend ebenso tonrein wie engagiert die Rolle des Kinds sang. Das war eine Glanzleitung.
Wenn dann auch noch ein Dirigent wie Alain Altinoglu mit dem Symphonieorchester der Monnaie für die musikalische Umsetzung verantwortlich zeichnet, dann kann man fast sicher sein, das hier Musiker am Werke sind, die die Sprache Dusapins nicht nur verstehen, sondern sie in all ihren Facetten, all ihren rhythmischen wie klanglichen Feinheiten kongenial interpretieren. Denn Dusapins Musik entwickelt sich von Oper zu Oper weiter, diesmal setzt er zum Beispiel verstärkt Orgel ein, lässt eine Laute die intimen Momente begleiten.
Brüssels La Monnaie zeigt mit Macbeth Underworld wie aktuell Oper ist, dass es derzeit Komponisten gibt, die dem Genre auch in unserer Zeit neues hinzufügen können. Bis zum 5. Oktober steht Dusapins Oper auf dem Spielplan.
Hans Reul