"Macbeth" ist und bleibt ein Schauermärchen um Macht, Liebe und Verrat, in dem vor allem Lady Macbeth ihre Finger im Spiel hat. Als die beiden Feldherren Macbeth und Banco erfolgreich von der Schlacht zurückkehren, wird ihnen von Hexen die Vorhersage gemacht, dass Macbeth König von Schottland und Banco ein Königsgeschlecht gründen werde. Lady Macbeth hetzt daraufhin ihren Gatten auf, König Duncan zu töten.
Während eines Festgelages bringt Macbeth Duncan um und macht sich zum König. Aber auch Banco ist für Macbeth ein Risiko, also muss auch er dran glauben, was dem Seelenheil Macbeths nicht gut tut. Wieder sucht Macbeth Rat bei den Hexen, die ihm vorhersagen, das keiner ihn besiegen könne, der von einer Frau geboren wurde, und dass er erst besiegt werden könne, wenn der Wald von Birnam gegen ihn vorrücke.
Macbeth glaubt sich daraufhin in Sicherheit. Aber bald sieht er den Wald tatsächlich gegen sich antreten: Malcolm hat sein Heer mit Ästen und Buschwerk getarnt. Getötet wird Macbeth dann von Macduff, der durch Kaiserschnitt zur Welt kam.
Regisseur Michael Thalheimer bringt die Handlung in einer sehr dunklen und minimalistischen Inszenierung auf die Bühne. Alles spielt in einer Art Wanne, die zum Publikum hin offen ist - man kann auch an eine Halfpipe denken - aus der die Protagonisten entweder versuchen zu flüchten oder andererseits vom oberen Rand hineinrutschen. Mal abgesehen von Luftschlangen, die das Fest an einen grausigen, aus den Fugen geratenen Kindergeburtstag denken lassen, jeder Menge Blut und einigen grünen Ästen für den Wald von Birnam braucht Thalheimer keine weiteren Requisiten, um die Geschichte zu erzählen.
Seine Personenführung ist umso intensiver. Vor allem Marina Prudenskaya liefert eine glaubwürdige Lady Macbeth. In den tieferen und den Mittellagen ist sie auch stimmlich perfekt, allerdings lässt ihre Mezzosopranstimme in der Höhe einiges zu wünschen übrig. Stets bleibt sie unter Ton, was auf Dauer sehr störend wirkt. Sicher, Verdi hat einmal gesagt, die Lady Macbeth solle "bitte nicht schön singen", aber andererseits sollte sie doch die Töne treffen. Ihr steht mit Craig Colclough ein schauspielerisch und stimmlich engagierter Macbeth gegenüber und Tareq Nazmi zeigt als Banco, welch Potenzial in ihm steckt.
Wieder einmal sind es Chor und Orchester, die in der Flämischen Oper für die absoluten Glanzpunkte sorgen. Welches andere Haus hat einen solch motivierten Chor. Nicht nur, dass die rein chorische Arbeit des Dirigenten Jan Schweiger stets ihre hörbaren Früchte trägt, man ist auch jedes Mal voller Bewunderung vor der Spielfreude der Sängerinnen und Sänger.
Wie die Frauen sich förmlich in die Rollen der Hexen reinschmeißen, das ist beste Theaterkunst. Und aus dem Orchestergraben wird das Drama in jeder Sekunde spürbar. Mit Dirigent Paolo Carignani steht aber auch ein echter Verdi-Spezialist am Pult. Carignani hat vor drei Jahren auch schon in Brüssels "La Monnaie" als Macbeth-Dirigent begeistert.
Als Fazit der zehnjährigen Amtszeit von Aviel Cahn kann man sagen, dass der Schweizer die Flämische Oper auf die internationale Landkarte gehoben hat. Zurecht wurde das Haus vor kurzem mit dem International Opera Award als bestes Opernhaus des Jahres ausgezeichnet und auch das Fachmagazin Opernwelt hat die Produktionen der Flämischen Oper mit mehreren Preisen bedacht. Eine Ära geht damit zu Ende. Man darf gespannt sein auf die kommenden Spielzeiten, für die Jan Vandenhouwe als Intendant verantwortlich zeichnen wird.
"Macbeth" wird noch bis zum 6. Juli in Antwerpen gezeigt. Im November sind Vorstellungen im Opernhaus Gent angesetzt und später geht die Thalheimer-Inszenierung noch nach Luxemburg und Düsseldorf.
Hans Reul