Alle hatten sie mit Vorfreude und großer Spannung erwartet: Sylvia Huang. Und die Belgierin wurde den Ovationen, mit denen sie vom Publikum im natürlich restlos ausverkauften Palais des Beaux Arts begrüßt wurde, gerecht. Die 25-jährige Violinistin blieb sich und ihren vorangegangenen Auftritten treu. Mit einnehmender Natürlichkeit und dem Sinn für feinste Klanggebung präsentierte sie ihr Programm.
Gewiss, sie verfügt nicht über den allergrößten Ton, manchmal würde man sich gerade in den virtuosen Passagen etwas mehr Auftrumpfen wünschen, aber der langsame Satz ihres Wahlkonzerts von Antonin Dvorak war ein wunderschön beseelter Moment voller Poesie. Sylvia Huang kann sehr stolz auf ihren Parcours beim Königin-Elisabeth-Wettbewerb sein. Sie hinterlässt einen phantastischen Eindruck und hat die Herzen des Publikums zurecht erobert.
Dies gilt auch für den Amerikaner Luke Hsu, der die eher undankbare Aufgabe hatte, den Concours zu eröffnen. Aber das macht dem 28-Jährigen offensichtlich nichts aus. Ihm verdanken wir die offizielle Uraufführung des Pflichtwerks "Fidl" von Kimmo Hakola. Luke Hsu ließ denn auch gleich die Funken sprühen in diesem sehr zugänglichen Stück, das sofort an Filmmusik denken lässt und nach meiner Erinnerung an viele Jahrzehnte Concours Reine Elisabeth das mit Abstand publikumszugänglichste Pflichtkonzert überhaupt ist.
Luke Hsu meistert jedes Flageolett, jeden Doppelgriff, jeden noch so schnellen Lauf mit Bravour. Und er hat auch das richtige Schuhwerk gewählt. Denn der Komponist Hakola verlangt zum Ende des rund 20-minütigen Stücks ein kraftvolles Stampfen auf den Bühnenboden, übrigens auch vom ganzen Orchester. Hsu lässt den Boden leicht erschüttern.
Bei Sylvia Huang sollte es dann später am Abend ein eher sanftes Auftreten sein. Liegt vielleicht auch an der Schuhwahl. Auf jeden Fall lässt dieser Moment das Publikum und sogar die Musiker des Orchesters schmunzeln.
Als Wahlkonzert spielte Luke Hsu jenes von Peter Tschaikowsky, Paradestück vieler Violinwettbewerbe. Luke Hsu hatte für Tschaikowsky sein Jackett in der Garderobe gelassen und so zupackend engagiert interpretierte er dann auch das Werk. Das war Spielfreude pur. So rasant und dynamisch hat man zum Beispiel den Finalsatz wohl nur selten gehört. Und dabei saß jede Note. Das Publikum entließ ihn mit nicht enden wollendem Applaus und Luke Hsu sprang förmlich von der Bühne in die Seitenloge. Der Mann hatte sich wohl gefühlt und einen grandiosen Auftritt abgeliefert.
Zweiter Finalabend
Am Dienstag geht es weiter mit dem 23-jährigen Amerikaner Stephen Kim. Er begeisterte beim Halbfinale unter anderem mit einer sehr überzeugenden Interpretation der dritten Violin-Sonate von Johannes Brahms und im Finale spielt er das Violinkonzert von Johannes Brahms.
Danach ist die 26-jährige Ji Won Song an der Reihe. Sie war schon vor vier Jahren beim Concours Reine Elisabeth und erreichte damals das Halbfinale. Jetzt ist sie einen Schritt weiter und dies aus gutem Grund, sie überzeugte im Halbfinale unter anderem mit einer keine Wünsche offen lassenden Poulenc-Sonate.
Ji Won Song ist Koreanerin, zog aber schon mit zehn Jahren mit ihren Eltern in die USA, da ihr Vater dort ein berufliches Engagement hatte. Auch wenn der Vater nach zwei Jahren wieder zurück nach Korea ging, blieb Ji Won Song mit ihrer Mutter, die selber vorab als Violinistin in einem Symphonieorchester spielte, in Cleveland. Später setzte Song die Studien am Curtis Institute und an der Julliard School fort.
Zu ihrem Palmares zählen erfolgreiche Teilnahmen am Leopold Mozart Wettbewerb in Augsburg und dem Tibor Varga Concours in Sion. Ji Won Song spielt das Konzert von Jean Sibelius. Man darf gespannt sein.
Hans Reul