Auf eines kann man sich bei Lüttichs Operndirektor Stefano Mazzonis immer verlassen: Wenn er selber eine Oper inszeniert, dann gibt es kein modernes Regietheater, sondern ganz traditionell möchte er, am liebsten in historischen Bildern, die Handlung erzählen. Das ist jetzt bei seiner "Aida" wieder der Fall. Da dürfen weder die Isis-Statue noch die Hieroglyphen oder die ägyptischen Säulenkolonnen fehlen. Und die Kostüme sind ebenfalls dem Ort und der Epoche angepasst.
Da kann man auch nichts gegen sagen, das hat seine Berechtigung und findet ohnehin seine treuen Anhänger. Wo es dann allerdings hakt, ist diesmal, dass Mazzonis es mit der Personenführung nicht allzu ernst genommen hat, oder aber er lässt den Sängern bewusst die Freiheit, sich bei jedem Duett doch lieber dem Saal als ihrem Gegenüber zuzuwenden. Und gerade diese Verdi-Oper ist eine sehr feine psychologische Studie und lebt vor allem im zweiten Teil von den eher intimen Momenten. Ebenso wenig inspiriert wirken die Massenszenen, in denen er mal von rechts mal von links eine Reihe mythologischer Figuren oder Soldaten auf- und abmarschieren lässt. Den einzigen moderneren ja zeitlosen Aspekt bilden die sehr schön gelungenen Ballettszenen, die Michèle Anne de Mey choreographiert.
Meist hat Mazzonis ja ein hervorragendes Händchen bei der Verpflichtung der Sängerinnen und Sänger. Diesmal leider nicht, zumindest nicht bei der Besetzung, die die Premiere gesungen hat. Denn aufgrund der dichten Aufführungsfolge ist eine Doppelbesetzung für die drei Hauptpartien vorgesehen. In der sehr anspruchsvollen Rolle des Radames konnte Marcello Giordani nie so recht überzeugen. Gerade die Spitzentöne wirkten wenig sicher. Fürwahr es ist auch nicht leicht gleich mit der "Celeste Aida"-Arie einzusteigen, aber so hat Verdi es nun mal komponiert.
Ebenso wenig konnte Elaine Alvarez der Aida gerecht werden, allzu vibratolastig und wenig abwechslungsreich führt sie ihren Sopran. Hingegen glänzte mit einer klangschönen und großen Mezzostimme Nino Surguladze als Aidas Gegenspielerin Amneris. Aber den stimmlichen Höhepunkt setzte unser Landsmann Lionel Lhote bei seinem Rollendebüt als Amonasro. Er gibt dem König der Äthiopier Würde und gleichzeitig ist er der liebende Vater seiner Tochter Aida. Wir haben es schon mehrfach in den letzten Monaten gesagt, wiederholen es aber gerne: Lionel Lhote ist eine feste Größe nicht nur der nationalen Opernszene.
Das Orchester der Königlichen Oper der Wallonie und die sehr umfangreich besetzten Chöre lieferten unter der Gesamtleitung von Chefdirigentin Speranza Scappucci eine solide Leistung. Es ist immer ein besonderer Kraftakt das Riesenensemble in diesem Werk mit teils hinter den Kulissen aufspielenden Blechbläsern sowie den diversen Chören zu einer großen Einheit zu führen.
Bis zum 14. März steht "Aida" auf dem Spielplan der Lütticher Oper.
Hans Reul