Zum nun schon dritten Mal wird diese Tosca-Produktion der aus Lüttich stammende Regisseurin Claire Servais in der Königlichen Oper der Wallonie gezeigt. 2007 brachte sie erstmals ihre Inszenierung heraus, dann folgte 2014 die Wiederaufnahme und jetzt eben noch einmal Tosca in der eher betulich historisierenden Sichtweise von Claire Servais.
Am Bühnenbild hat sich wenig geändert. Jeder Akt spielt in der angemessenen und leicht erkennbaren Szenerie.
Servais und ihr Bühnenbildner Carlo Centolavigna halten im ersten Akt am blumengeschmückten Altar in der Kapelle fest. Scarpias Arbeitszimmer im zweiten Akt wird immer noch von einem Riesenkruzifix bestimmt, das wohl die Bigotterie des Polizeichefs deutlich machen soll und im dritten Akt darf die Engelsburg nicht fehlen, auch wenn sie sehr stilisiert ist. Hier darf sich Tosca denn auch am Ende in den Tod stürzen.
Somit wird die Handlung ebenso klar wie verständlich erzählt. Das kennt man von der Lütticher Oper.
Ebenso kann man sich in Lüttich auf etwas anderes verlassen: Gesungen wird auf sehr hohem Niveau. Dies gilt fast uneingeschränkt für die Erstbesetzung dieser „Tocsa“. Aber wie man Operndirektor Stefano Mazzonis kennt, wird dies auch für die sogenannte Zweitbesetzung gelten. Denn aufgrund der sehr dichten Aufführungsfolge sind für die drei Hauptrollen Doppelbesetzungen unabdingbar.
Als Tosca ist Virginia Tola zu hören, sie verfügt gerade im Mezzavoce-Bereich über eine sehr schöne Stimme, überzeugt in den intimeren leiseren Momenten, wirkt im Fortissimo nicht mehr so elegant und unterstreicht dies auch meist mit übertrieben ausladender Gestik.
Als ihr Geliebter Mario Cavaradossi ist Aquiles Machado stimmlich ohne jeden Fehler und Tadel, seine Tenorstimme vereint Kraft und leichte Höhe. Beide hat man in Lüttich schon gesehen, aber die Entdeckung des Abends ist Marco Vratogna. Sein Scarpia ist von Macht getrieben, er will Tosca unter allen Umständen besitzen, das spielt und singt Vratogna mit einer raumgreifenden Überzeugungskraft.
Den meisten Applaus verdient das Orchester und Dirigent Gianluigi Gelmetti. Ihm macht wohl keiner was vor. Der 73-jährige kennt die „Tosca“ in und auswendig, weiß Puccinis Musik mit Dramatik und Leidenschaft zu durchleuchten, ohne jemals in falsches Pathos zu verfallen. Man spürt, dass er mit sämtlichen Pulten des Orchesters wohl bis ins kleinste Detail gearbeitet hat und er so einen Gesamtklang erzielt, der seines gleichen sucht. Hier findet das Drama schon im Orchestergraben statt.
Eine Sternstunde für das Lütticher Opernorchester. Bis zum zweiten Dezember steht „Tosca“ noch auf dem Spielplan der Lütticher Oper.
Hans Reul