Wagners "Lohengrin" hat es in diesem Kalenderjahr den belgischen Operndirektoren besonders angetan. Nach der überwältigenden, musikalisch wie dramatisch überzeugenden Produktion von Regisseur Olivier Py und Dirigent Alain Altinoglu vor fünf Monaten in La Monnaie ist es für die Flämische Oper jetzt nicht so leicht, etwas Gleichwertiges gegenüberzustellen. Dabei greift man in Gent und Antwerpen auf eine Inszenierung von David Alden zurück, die bereits in Covent Garden in London gezeigt wurde.
Das sehr düster gehaltene Bühnenbild hat seinen Reiz. Zwei riesige schräge Backsteinfassaden beherrschen die ersten Bilder. Sie sind das Sinnbild einer aus dem Gleichgewicht geratenen Zeit. Später werden sie in immer neue Perspektiven gedreht. Das Ganze wirkt sehr imposant und vier von der Bühnendecke hängende Lautsprecher sind auch nicht gerade beruhigend. Es herrscht eine bedrohliche Stimmung. In welcher Epoche sind wir? Es kann ebenso in den 1920er Jahren in einer englischen Arbeiterstadt sein oder in den 1930er Jahren, wenn Fahnen und die Riesenpforte mit dem unvermeidlichen Schwan an Aufmärsche der Nazis erinnern. Zum Schluss wähnt man sich dank der Ritterkostüme sogar im Mittelalter. In jedem Fall herrscht eine durchgehend beklemmende Atmosphäre.
In diesem Ambiente erzählt David Alden die Geschichte vom Gralsritter Lohengrin, den Elsa ja nie nach seinem Namen befragen darf, es dann aber bekanntlich doch tut. Die Stärke dieser Inszenierung von David Alden ist, dass er klar der Handlung folgt und sie somit verständlich macht. Mehr aber auch nicht. Er versteht es vor allem, den Chor in Szene zu setzen, auch wenn die Choristen manchmal allzu plakativ die Hände oder Fäuste recken müssen. Gesanglich präsentiert sich der Chor der Flämischen Oper wieder einmal auf allerhöchstem Niveau. Die Arbeit von Chordirektor Jan Schweiger ist jedes Mal bemerkenswert.
Die musikalische Leitung liegt in Händen von Alejo Perez, der der neue Chefdirigent in Antwerpen und Gent wird. Nachdem er die Ouvertüre sehr, für meinen Geschmack zu zügig durchlief, fand er bald zu den angemessenen Tempi, denen das glänzend disponierte Orchester den notwendigen Klangrausch schenkte.
Unter den Solisten ragen vor allem Ortrud und Telramund heraus. Sowohl für Irène Theorin als auch für Craig Coclough ist es ein mehr als überzeugendes Rollendebüt. Dieses, nennen wir es im Gegensatz zu Elsa und Lohengrin böse Paar, bestimmt gesanglich wie darstellerisch das Spiel. Liene Kinça gibt ihr Elsa-Debüt mit einer deutlich hörbaren Schärfe, und Zoran Todorovich kommt als Lohengrin erst im dritten Akt zur Wirkung.
In der Oper Gent wird Lohengrin bis zum 28. September gezeigt, vom 7. bis 23. Oktober steht die Produktion noch 6 Mal auf dem Programm im Opernhaus von Antwerpen.
Hans Reul