Das hat es wahrscheinlich noch nicht oft gegeben: der Operneinakter "Herzog Blaubarts Burg" und die Pantomime "Der wunderbare Mandarin" an einem Abend. Beiden Werken begegnet man heute fast schon häufiger in konzertanten Aufführungen als in einer szenischen Umsetzung. Dabei zeigt die Brüsseler Produktion, dass beide Werke sich kongenial ergänzen, musikalisch die ganze Bandbreite von Bela Bartok aufweisen und dank der ausgeklügelten Inszenierung von Christophe Coppens umfasst auch die Bildersprache ein weites Spektrum.
Der Abend beginnt mit der sehr symbolbeladenen Geschichte von "Herzog Blaubarts Burg". Judith hat sich für die Ehe mit dem geheimnisvollen Blaubart entschieden und entdeckt dessen Burg und vor allem die sieben Zimmer, die jedes ein Geheimnis bewahren. Coppens hat eine drei Etagen hohe Bühne gebaut. Ein grandioses Bild, das sich aus Spiegeln, Glas und Silber zusammensetzt. Schon der "Vorhang" besteht aus einer die ganze Bühnenöffnung füllende zerbrochene Glasscheibe, in deren Mitte ein Mund den Prolog spricht. Das ist Spannung pur, die sich leider nicht auf den gesamten Operneinakter überträgt. Dabei ist die Geschichte der reinste Krimi, der ja mit dem Öffnen der letzten Türe endet, hinter der die Leichen der drei ersten Frauen Blaubarts ruhen als Morgen, Mittag und Abend, Judith wird den Tageszyklus abrunden.
Die einzelnen Szenen sind von einer ästhetischen Eleganz, die keine Wünsche offen lässt. Dank einer tollen Lichtregie und den ebenso kunstvoll gestalteten Videos im Hintergrund ergeben sich Bilder, die an futuristische Stillleben erinnern. Dazu singen die beiden Darsteller auf grandiose Art und Weise. Ante Jerkunica hat eine mächtige aber nie brutale Stimme und Nora Gubisch durchlebt die Rolle der Judith in all ihren Facetten. Aber mir fehlt irgendwie eine Personenregie, jede der beiden Figuren steht für sich, vielleicht ist dies sogar die Absicht von Coppens und gewiss ergibt es auch einen Sinn, dass Blaubart die ganze Zeit im Rollstuhl im Mittelpunkt der Szenerie sitzt und dann vor dem Öffnen der letzten Türe sich erhebt. Erschlossen hat sich dies mir leider nicht. Aber welch eine musikalische und gesangliche Leistung.
Nach der Pause Szenenwechsel, wobei die Grundstruktur des Bühnenbilds die gleiche ist: drei Etagen. Aber vom stilisierten Design geht es über ins knallbunte und schrille Leben in einem Bordell. Hier spielt die Handlung vom Wunderbaren Mandarin. Das Stück sorgte bei seiner Uraufführung 1926 in Köln für einen Skandal, der damalige Bürgermeister Konrad Adenauer hatte weitere Aufführungen verboten.
Die Inszenierung von Christophe Coppens kann nicht mehr schocken: Er hat zwar aus der einen Prostituierten gleich drei gemacht, dafür tobt jetzt nur ein Zuhälter statt deren drei über die Bühne. Er tötet einen Freier nach dem anderen, um an deren Geld zu kommen und nur der wunderbare Mandarin will einfach nicht sterben, erst als eine der Prostituierten ihm ihre Liebe schenkt. Eine groteske Pantomime hat Bartok das Stück genannt und genau das zeigt uns Coppens. Grotesk, manchmal ein wenig vulgär, aber nie abstoßend wird über die einzelnen Etagen gesprungen und sich mal lasziv und dann wieder akrobatisch gewunden.
Das größte Kompliment des Abends gebührt dem Orchester. Es ist eine wahre Freude, die Entwicklung des Symphonieorchesters von La Monnaie zu erleben. Dank Chefdirigent Alain Altinoglu ist das Ensemble auf dem besten Wege wieder alte Tugenden zurückzugewinnen. Ob in den Solopassagen oder im gesamten Zusammenspiel, das war ganz großes Musiktheater und lässt für die kommenden Spielzeiten auf glanzvolle Abende hoffen.
Hans Reul