Die Erwartungen an den "Lohengrin" waren vorab schon sehr hoch gesetzt und sie wurden in jeder Hinsicht nochmals übertroffen. Um es gleich vorweg zu sagen: Dieser "Lohengrin" ist ein überwältigendes Theaterereignis.
Musikalisch war man ja schon fast auf der sicheren Seite. Alain Altinoglu hat nicht ohne Grund den "Lohengrin" in Bayreuth dirigiert. Aber was er am Premierenabend aus seinem Monnaie-Orchester herausholte, war atemberaubend. Die Poesie des Vorspiels zum ersten Akt ließ sofort aufhorchen, die dramatischen Momente hatten eine Ausdruckskraft, die packte und mitriss, ohne jemals lärmend oder plakativ zu werden. Unter Altinoglus Leitung ist das Orchester der Monnaie ein echtes Spitzenensemble. Auch der Chor war glänzend einstudiert von Martino Faggioni. Dies ist umso wichtiger, da Lohengrin eine große Choroper ist.
Dem Klangbild kam auch der Bühnenaufbau zugute. Pierre-André Weitz hat mit Regisseur Olivier Py ein sehr dunkles Bühnenbild geschaffen, das nicht nur die Breite, sondern auch die gesamte Höhe einnimmt. Im Vorspiel dreht sich dieser mehrere Etagen hohe zerstörte Bau. Von außen zersplitterte Fensterscheiben, von innen grauschwarze Bestuhlung in einzelnen Logen. Später sieht man Sinnbilder der deutschen Romantik: Hölderlin, Novalis, Goethe, Caspar David Friedrich, aber auch einen Schwan. Olivier Py hat die Handlung ins Deutschland der Stunde Null verlegt. Lohengrin ist für ihn Wagners politischstes Werk, wie er nicht nur persönlich vor der Aufführung dem Publikum im Saal ankündigte, sondern auch vorab schon im Interview.
Wagner sieht das Reich voraus, das nationalistische, imperialistische und vor allem kulturelle Deutschland voraus. Denn die deutsche Kunst und die Kultur sind zentral für das politische Deutschland. Aber Wagners Helden scheitern, so auch Lohengrin. Wagner erzählt gleichzeitig den Aufstieg und den Niedergang.
Und wenn dies in solch einer konsequenten Bildersprache und genau gezeichneten Personenführung inszeniert wird, wie es Py gelingt, dann kann man sich der Logik dieser Sicht nicht verschließen. Die viereinhalb Stunden vergehen wie im Fluge, da gibt es keine Sekunde Langweile. Das ist auch das Verdienst der Sänger.
Eric Cutler gibt ein atemberaubendes Debüt als Lohengrin. Er ist ein phantastischer, in jeder Tonlage sicherer Heldentenor, der außerdem - aber das gilt für alle Mitwirkenden - eine mustergültige Aussprache an den Tag legt. Da ist jedes Wort nicht nur perfekt gesungen, sondern auch noch verständlich.
Bis in die kleinsten Rollen ist die Besetzung stimmig. Gabor Bretz mit sonorem aber doch klarem Bass als Heinrich, Ingela Brimberg als Elsa von Brabant, Andrew-Foster Williams als Telramund, Werner van Mechelen als Heerrufer oder Elena Pankratova als Ortrud.
Diesen "Lohengrin" wird man so schnell nicht vergessen. Bis zum 6. Mai steht das Werk auf dem Spielplan von La Monnaie.
Hans Reul
Musikalisch fand ich es auch top, vor allem die beiden Frauen und natürlich Lohrengrin. Auch der Chor beeindruckend.
Die Inszenierung fand ich eher seltsam. Sie schien in ihrer Konsequenz fast schon einen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Stück (oder nur dem Komponisten?) und der Katastrophe des dritten Reiches zu suggerieren. Das ganze kam aber eher platt rüber, wir von einem Schülertheater, nur technisch und optisch irgendwo zwischen perfekt und bombastisch. Man hatte aber in Grunde den Eindruck, dass sich Py für das Stück selbst gar nicht interessiert.
Vielleicht täusche ich mich auch und er wollte bewusst auf die Spannungen hinweisen, die in der Musik angelegt sind und manchmal so intensiv werden, dass sie einem fast den Atem rauben. Dies natürlich vor allem ein Verdienst des großartigen Orchesters..