Wagners "Parsifal" mit seinem Karfreitagszauber war während vielen Jahren in der Oper Antwerpen ein stets wiederkehrendes Ereignis. Das ist schon eine Weile her. Aber 2013 stand der "Parsifal" dann wieder einmal, natürlich auch in der Karwoche, auf dem Programm des Hauses und erlebte dank der Inszenierung von Tatjana Gürbaca internationale Anerkennung: Bei den International Opera Awards wurde die Inszenierung als Produktion des Jahres ausgezeichnet und das Fachmagazin Opernwelt wählte Gürbaca zur Regisseurin des Jahres.
Sie hatte mit ihrem Bühnenbildner Henrik Ahr eine offene, nur von einer bis an die Decke reichenden weißen Wand begrenzte Szene geschaffen. Es gab kaum Dekor oder Requisite: Gurnemanz bewegt sich im Rollstuhl fort, der Speer ist ein langes schmales Rohr. Auf dieser reinen weißen Rückwand rinnt in dünnen Streifen Blut. Die Stärke dieser Opernproduktion ist die Personenführung und die kongeniale Lichtgestaltung von Stefan Bolliger, die jedem Akt eine eigene Farbe schenkt.
Parsifal ist, wie Wagner ja selber sagte, ein Bühnenweihfestspiel, es gibt also nur wenig Handlung. Es ist eine mythische und mystische Entwicklung, die ganz in der Musik und im Gesang ihre Wirkung findet. Da braucht es nicht vieler Bilder, aber wenn, dann sind sie immer zutreffend. So etwa im ersten Akt, wenn Parsifal statt einen Schwan zu töten, einen der Knaben mit Blut beschmiert, oder Kundry wie eine schwangere Marienfigur die Schar der Gralsritter durchschreitet oder, besonders ergreifend, die Doppelung der Blumenmädchen des zweiten Akts durch in Würde gealterte Damen, die sich nochmals besonders schick gemacht haben. Dieser zweite Akt ist für mich ohnehin der Höhepunkt der insgesamt rund fünfstündigen Oper.
Die Besetzung ist diesmal eine ganz andere als 2013. Es gibt fast ausschließlich Rollendebüts. Stefan Kocan singt den Gurnemanz, kann aber – und wer könnte dies schon - die Interpretation des phantastischen Georg Zeppenfeld von vor fünf Jahren nicht vergessen machen. Auch für Erin Caves ist die Titelpartie des Parsifal ein Debüt. Es fehlt zwar noch ein wenig die Strahlkraft des Heldentenors, aber das machte er bei der Premiere mit eindrucksvollem Bühnenspiel wett, ihm nimmt man den reinen Tor ab. Tanja Ariane Baumgartner sang und spielte grandios die Kundry und als Entdeckung des Abends darf Kay Stiefermann als Klingsor angesehen werden.
Wieder einmal konnten Chor und Orchester der Flämischen Oper auf der ganzen Linie überzeugen. Dieser Chor singt nicht nur perfekt, sondern es ist immer wieder faszinierend zu erleben, wie die Choristen sich ins Spiel einbinden. Dem Dirigenten Cornelius Meister ist zu danken, dass er die Parsifal-Partitur mit sehr viel Intensität und feinem Gespür für die Lautstärke interpretiert und die Sänger nie überdeckt.
Bis zum 4. April steht "Parsifal" auf dem Spielplan der Flämischen Oper in Antwerpen.
Hans Reul