Wir sind in einem italienischen Dorf. Für "Cavalleria Rusticana" hat Bühnenbildner Paolo Fantin eine bis ins kleinste Detail sehr realistische Bäckerei gebaut. Dank des Einsatzes der Drehbühne werfen wir regelmäßig einen Blick ins Innere der Backstube und sind dann wieder auf dem Dorfplatz.
Für "Il Pagliacci" versetzt er uns in einen typischen Dorfsaal der siebziger Jahre mit einer Ästhetik, die man sowohl in Süditalien als auch bei uns vorfand: Schwingtüren, eine kleine Bühne, ebenerdige Stuhlreihen und in den beiden Einaktern dürfen natürlich das Kreuz und die Madonna nicht fehlen.
Beide Opern sind Musterbeispiele des Verismo. Es wird eine aktuelle Geschichte erzählt, die Eifersucht und Mord zum Thema hat. Da beide Opern jeweils ein symphonisches Intermezzo aufweisen, lassen sich beide Werke auch personell miteinander verbinden und tatsächlich eine Einheit zwischen beiden Geschichten erzielen.
So treffen sich Nedda und Silvio aus "Pagliacci" schon mal vorab im Schatten der Laterne in "Cavalleria Rusticana" und Santuzza kann Mamma Lucia später im "Pagliacci" voller Leid und Trauer in die Arme fallen. Das ist wie die gesamte Inszenierung sehr klar und logisch, insgesamt eine perfekt gradlinige Erzählung, die auch einem Opernneuling die Handlung dieser Eifersuchtsgeschichten verständlich macht.
In Pietro Mascagnis "Cavalleria Rusticana" ist Turridu in die kokette Lola verliebt. Er wird allerdings zum Militärdienst eingezogen und es kommt nicht zur Hochzeit. Lola hat in der Zeit den reichen Alfio geheiratet, daraufhin verspricht Turridu Santuzza die Ehe, er kann aber nicht von Lola lassen. In der Abwesenheit von Alfio kommen sich Turridu und Lola näher, als sie sollen und Santuzza stellt Turridu zur Rede. Er hat aber nur Augen für die kokette Lola und stößt sie weg. Santuzzas Liebe schlägt in Hass um und sie verrät ihn an Alfio. Es kommt zum Duell und Alfio ersticht Turridu.
Eva Maria Westbroek ist die ideale Interpretin der Santuzza, sie singt und spielt die Eifersüchtige mit stimmlicher und schauspielerischer Intensität. Teodor Ilincai als Turridu überzeugt vor allem mit seinem kraftvollen und strahlenden Tenor. Aber es ist eine der Nebenrollen, die in dem Einakter für die gestalterisch packendste Leistung sorgt: Elena Zilio ist die perfekte Inkarnation der alten Mamma Lucia.
Wenn dann aus dem Panificio der Gemeindesaal geworden ist, dann startet die nächste Eifersuchtsgeschichte: "Il Pagliacci" oder der "Bajazzo", wie Ruggero Leoncavallos Oper im deutschen Sprachraum genannt wird. Es ist eine tragischkomische Groteske, die das burleske Spiel der Commedia del'arte mit tödlichem Ernst der Realität vermischt. Die Geschichte spielt in einer Theatertruppe, die über die Dörfer tingelt und als Spiel im Spiel geht es auch hier um Liebe, Betrug, Eifersucht und Mord.
Die Besetzung wird auch im "Pagliacci" fast allen Wünschen gerecht: Sei es Ainhoa Arteta als Nedda oder Carlo Ventre mit farbenreichem Tenor als Canio und Scott Hendricks als Tonio. Schade nur, dass Dirigent Evelino Pido die kraftvollen Seiten der Partitur allzu überbetont. Das geht ein wenig zu Lasten der Gegensätze, der lyrischen Momente, die den beiden Werken aber auch inne wohnen.
Aber dies kann den positiven Gesamteindruck nur unwesentlich schmälern. Bis zum 22. März steht Cav-Pag, wie man die beiden Werke gerne in einem griffigen Kürzel zusammenfasst auf dem Programm. Allerdings sind, laut Internetseite der Monnaie, sämtliche Vorstellungen ausverkauft.
Hans Reul