Die beiden Operneinakter von rund 45 Minuten Länge sind wie geschaffen für einen Doppelabend. Beide Opern haben starke politische Ansätze, behandeln das Thema der Freiheit.
Luigi Dallapiccola brachte 1949 seine Oper "Il Prigioniero" heraus, ein Plädoyer für die individuelle Freiheit, geprägt von den Kriegserfahrungen und eine Oper, die in ihrer Allgemeingültigkeit gerade in der Zeit des Kalten Krieges oft aufgeführt wurde.
Wolfgang Rihm nahm eine Szene aus dem Botho-Strauss-Stück "Schlusschor" zum Anlass seiner Oper "Das Gehege", die 2005 ihre Uraufführung in München erlebte und zwar als weiterführende Reflektion zu Richard Strauss' "Salome". Dies erklärt gewiss auch, dass man den Eindruck hat, dass es hier über das Politische hinausgeht und dem Stück auch eine erotische Ebene innewohnt.
Um es gleich vorweg zu sagen: Nicht nur die Tatsache, dass beide Werke an einem Abend aufgeführt, sondern vor allem wie sie in Brüssel auf die Bühne gebracht werden, ist von einer inneren Logik, die mehr als offensichtlich ist.
Regisseurin Andrea Breth lässt die Handlung der beiden Einakter in einer sehr nüchternen, von Käfigen geprägten Szenerie spielen. Düster, schwarz und grau ist das Bühnenbild, das Martin Zehetgruber geschaffen hat. In Dallapiccolas "Gefangenem" strahlt nur im Schlussbild gleißend blendendes Licht auf, bei Rihms "Das Gehege" sind die einzelnen Szenen durch Stroboskop-Effekte voneinander getrennt.
Der Dirigent Frank Ollu leistet mit dem Orchester der Monnaie ganze Arbeit. Dallapiccolas von Schönberg geprägte Tonsprache, die aber auch in Momenten Anklänge an die italienische Oper nicht verleugnen kann, manchmal sogar exotische Effekte aufweist, wird kraftvoll und süffig gespielt, bei Rihm ist die Erfahrung mit Alban Berg nicht zu überhören. Beide Komponisten zählen in ihrer jeweiligen Generation zurecht zu den Großen der Zeit.
Besonders gefordert sind die beiden Hauptdarsteller der jeweiligen Opern. Georg Nigls Bühnenpräsenz ist immer wieder atemberaubend. Nur wenige Sänger setzen sich wohl so intensiv mit einer Rolle auseinander wie der Bariton. Wir können uns glücklich schätzen, dass er regelmäßig in La Monnaie gastiert. Unvergessen bleibt seine Interpretation des "Jakob Lenz" vor drei Jahren. Zurecht wurde er dafür von der Fachjury zum "Sänger des Jahres" gewählt.
Auch im "Prigioniero" singt er mit einer unfassbaren Genauigkeit und körperlichem Engagement die Rolle des Gefangenen, der ja darauf hofft, frei zu kommen, nachdem der Wärter ihn als Bruder bezeichnet hat, aber diese Illusion der Freiheit wird am Ende zur größtmöglichen Folter für den Gefangenen.
Dass Andrea Breth die Interpreten aus "Prigioniero" auch als stumme Darsteller, aber mit jeweils genau choreographiertem Spiel in Rihms "Das Gehege" einsetzt, macht die Einheit des Doppelabends noch deutlicher. Und die Sopranistin Angeles Blancas Gulin, die bei Dallapiccola die Mutter des Gefangene singt, macht die Rolle der Frau in Rihms Werk zu einem echten Theaterereignis. Sie singt in jeder möglichen und unmöglichen Position, liegend, an den Gittern des Geheges hängend, kopfüber, und es klingt jedes Mal grandios.
In Rihms "Gehege" geht es ja darum, dass eine Frau einen Adler aus einem Zoo die Freiheit schenken möchte. Das Stück spielt zur Seite des Mauerfalls. Aber es entwickelt sich - zumindest in der Inszenierung von Andrea Breth - eine fast erotisch wirkende Beziehung zwischen Frau und Adler, aber ist nicht alles Politische ohnehin zumindest auch privat persönlich und umgekehrt?
Noch bis zum 27. Januar steht der Doppelabend auf dem Programm der Monnaie.
Hans Reul