Die Frankfurter Rundschau hat den Comic besprochen, als er im September auf dem deutschen Markt erschienen ist. "Dort hieß es: In seinem in Frankreich vor einem Jahr erschienen Buch 'Wir waren Charlie' reklamiert Luz die alten Zeiten für sich, als die Redaktion noch unbekümmert unkorrekt sein konnte, ein bisschen vulgär und kritisch gegenüber allen Religionen und Autoritäten."
Auch auf Belgien trifft diese Beobachtung zu. Auch in Belgien hat die Gesellschaft mit den Folgen von islamistischen Anschlägen zu tun. Das hat was mit der Gesellschaft gemacht, unserem Blick auf den Islam, den Umgang mit ihm. Es gibt ein vor und ein danach der Anschläge.
"Unbekümmert und unkorrekt" wie es in der Kritik heißt, auch das ging vor einigen Jahren noch viel einfacher als heute. Die Attentate haben in der Veränderung sicher eine Rolle gespielt.
Aber auch Dinge wie zum Beispiel die Mee-Too-Bewegung, Diskussionen um die korrekte Bezeichnung für Menschen mit anderer Hautfarbe, mit anderer Herkunft, mit anderen sexuellen Neigungen usw. Was ist da richtig, was ist da falsch? Welche Sensibilitäten muss man respektieren? Wo sind die Grenzen?
Was muss eine Gesellschaft aushalten, wo geht man zu weit? Fragen wie diese.
Doch leider zieht der Comic nicht den Vergleich zwischen vor und nach den Attentaten, wie man eigentlich vermuten würde. Es fehlt die kritische Auseinandersetzung, die der ein oder andere Leser erwarten würde.
Luz zeigt zwar auf, wie man bei Charlie Hebdo gearbeitet hat. Aber zieht erstens keinen Vergleich zu einem vorsichtigerem Vorgehen heute als Folge der Attentate. Und grenzt zweitens die Auseinandersetzung mit dem Religiösen quasi komplett aus.
Enttäuschend, wenn man bedenkt, dass die Zeitschrift gerade wegen der reliogionskritischen Darstellungen so berühmt geworden ist. Das hat der Comic ganz ausgeblendet, auch die Diskussion um die Mohammed Darstellung oder andere klar kirchenkritische Zeichnungen.
Vielleicht wollte Luz das bewusst rauslassen: Das kann mit persönlicher Verarbeitung des Gelebten zusammenhängen, oder mit anderen persönlichen Gründen.
Trotzdem kann das Buch den Leser Charlie Hebdo als Zeitschrift, als Universum entdecken lassen. Die Typen, die für Charlie Hebdo gearbeitet haben, Charb, Cabu – große Namen der französischen Zeichner-Szene: Die tauchen natürlich auf in dem Buch als Begleiter von Luz.
Rückblick auf die 90er und 00-er Jahre in Frankreich
Luz beschreibt in dem Buch im Grund seine Geschichte, wie er als junger Zeichner aus der Provinz nach Paris kommt, dort versuchen will, irgendwie Fuß zu fassen und dann eher per Zufall bei Charlie Hebdo landet. Ganz unerwartet auch für ihn das große Los zieht.
Und dann ist das Buch vor allem ein wirklich schöner und interessanter Rückblick auf Ereignisse der 90er und 00-er Jahre vor allem in Frankreich: Auf Themen, die bei Charlie Hebdo kritisch aufgegriffen wurden.
Namen wie Edith Cresson fallen da, Jaques Chirac, der reaktionäre Rechtsruck in der französischen Gesellschaft wird thematisiert, Luz erinnert sich an eine Reportage in der Banlieu von Paris, an eine Reportage während des Balkan-Krieges – alles Themen, die den Leser in die Zeit von damals zurückversetzen.
Sehr gut für den vielleicht weniger gut über all die Ereignisse oder auch Personen informierten Leser sind dann die Erklärungen am Ende des Buches. Also, man muss da nicht alle Dinge kennen, auf die angespielt wird.
Das Comic ist also ein gelungenes Panorama von Frankreich seit Beginn der 90er Jahre bis hin zu den Attentaten. Man bekommt einen Einblick in den Redaktionsalltag der Macher von Charlie Hebdo. Und natürlich ist es auch sehr lustig zwischendurch.
Infos zu dem Buch:
- Luz: "Wir waren Charlie"
- Verlag Reprodukt
- 314 Seiten
- 29 Euro
Kay Wagner
Hierzu fällt mir ein Zitat des britischen Comedians Ricky Gervais ein, der sagt, dass der größte Trick der Religionen nicht war, die Menschen davon zu überzeugen, dass es überhaupt einen Gott geben soll, sondern davon zu überzeugen, dass man diese Vorstellung nicht lächerlich finden darf...
Religionen haben es geschafft, dass man über Sie nicht denken darf, was man möchte. Seit wann darf man Ideen nicht mehr in Frage stellen?
Herr Hezel. Sie haben absolut recht.
Alle Religionen dieser Welt und deren irdische Vertreter verlangen, dass man sie Ernst nehmen muss. Witze darueber sind ein Kapitalverbrechen. Und eben diesen Absolutheitsanspruch verlangen auch Klimaaktivisten wie Greta Thunberg & co. Die verstehen ueberhaupt keinen Spass. Da macht das Witzemachen dann doppelt Spass.
Da irren Sie sich aber gewaltig Herr Scholzen (Eimerscheid), denn im Gegensatz zu Religionen hat Greta Thunberg nie behauptet eine absolute und unanfechtbare Wahrheit zu vertreten: im Gegenteil, sie hat immer wieder darauf hingewiesen, dass man doch der Wissenschaft endlich Gehör verschaffe, da sie eine faktische, gegensätzlich und empirisch geprüfte Wahrheit ans Licht bringt, die auch noch wahr sein wird (Beispiel Schwerkraft), wenn alle anderen vermeintlichen "offenbarten" Wahrheiten von Religionen (Brotvermehrung, Über-Wasser-Gehen, Unsterblichkeit, Auferstehung, Allmächtigkeit und Allwissenheit) längst und immer wieder widerlegt wurden.
Wenn ein Gott (welcher ist denn nun der "richtige"?) "allwissend" oder "allmächtig" sein soll, warum lässt er dann zu, dass seine Schöpfung so fürchterlich leidet (genetische Krankheiten, etc.)? Ist Gott ein Sadist, oder doch nicht so allmächtig wie behauptet ? Auch der "god of the gaps", ein Platzhalter für alles, was der Mensch nicht erklären kann, ist für jeden Freigeist und Wissbegierigen keine Antwort.