"Es fing alles an einem Donnerstag an. Ich hatte den ganzen Tag Bauchschmerzen, bin aber trotzdem noch in die Stadt gegangen." Noémie Jaeger erinnert sich. Es war vor vier Jahren. Ihre Eltern bringen die damals 16-Jährige früh am Morgen ins Aachener Uniklinikum.
Die Ärzte gehen von einer Verstopfung aus, machen einen Einlauf und dann passiert das Unerwartete: "Ich war alleine im Zimmer, hab noch geschellt, aber dann ist das alles ganz schnell passiert und dann war er da", erinnert sich Noémi. "Das war zuerst schon ein Schock, aber auch eine Erleichterung, dass es keine Krankheit war, sondern mein Sohn. Ich habe es direkt akzeptiert. Man hat mir noch die Frage gestellt, ob ich es abgeben oder behalten will, aber meine Reaktion war direkt: Ich behalte das Kind."
Von einer Minute auf die andere Mutter werden. Diese Sturzgeburten sind zwar selten, doch gerade für sehr junge Mütter nicht untypisch. "Wir haben das schonmal erlebt, dass eine junge Frau im fast siebten Monat erfahren hat, dass sie schwanger ist. Sie ist beim Erstgespräch gewesen und sah aus wie eine junge Frau ohne einen Schwangerschaftsbauch", erklärt die Psychologin Doris Falkenberg, Koordinatorin im DG-Dienst Kaleido. "Eine Woche später haben wir die junge Frau dann wieder getroffen und der Bauch war wirklich nach außen gegangen, d.h. der Körper kann auf 'Nicht-schwanger' schalten. Das ist selten, aber das passiert. Man spricht da auch von einer Verneinung der Schwangerschaft; das ist ein psychologisches Phänomen."
Auch wenn es für Noémie und ihre Familie zunächst ein Schock war - der kleine Thomas wurde sofort von allen Seiten gut umsorgt. "Thomas ist das beste, was mir passieren konnte", sagt Noémie heute. Das Kind weg zu geben, kam für sie nie in Frage.
Und doch: So manche Teenie-Mutter ist nicht so stark und entscheidet sich gegen ihr Kind. "In Belgien ist der Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Man muss eine Beratung in Anspruch nehmen und die bietet in der DG der Dienst Prisma an. Sie beraten Schwangere, die in Konflikt mit ihrer Schwangerschaft sind", erklärt Doris Falkenberg.
Heute ist Noémie im Abiturjahr. Doch auf Abireise fährt sie nicht. "Ich wollte nicht so viel Geld für die Abireise ausgeben. Da verbringe ich lieber einen Urlaub mit meinem Sohn oder Freunden."
Nachdem der Vater sich ein Jahr nicht um das Kind gekümmert hat, verbringt Thomas jetzt jedes zweite Wochenende bei ihm. Bei Noémie war es ihr Sohn, der ihr neue Perspektiven aufgezeigt hat. "Vor der Geburt war ich kurz davor, die Schule abzubrechen und kein Abi zu machen, sondern vielleicht eher eine Ausbildung. Als das dann plötzlich passierte, habe ich mir gesagt, dass ich jetzt auch weitermachen muss bis zum Abi, damit ich meinem Kind etwas bieten kann später."
Nach dem Abi möchte Noémie Kindergärtnerin werden. Doch vorher heißt es: Schulbank drücken.
Caroline Pitz, Michelle Bardoul, Lena Wilkin - Bilder: J1T