Das Museum "De Reede" in Antwerpen ist, das kann man ohne Übertreibung so sagen, ein echtes Kleinod. Es mag zwar in der breiten Öffentlichkeit vielleicht nicht so bekannt sein wie andere Museen. Aber wie die Namen "Munch", "Goya" und "Rops" an der Fassade unmissverständlich klarmachen: Hier bekommen Kunst- und Grafikinteressierte Erlesenes zu sehen. Und zur Dauerausstellung, die schon für sich genommen einen Besuch wert ist, kommt nun eben noch der weltberühmte Albrecht Dürer dazu.
Wobei es in gewissem Sinne auch eine Rückkehr ist: Denn Dürer hat sich in den Jahren 1520 und 1521 in Antwerpen aufgehalten und hier auch deutliche Spuren hinterlassen, beispielsweise auf die Arbeit anderer Künstler. Und Antwerpen diente Dürer auch als Ausgangsbasis für diverse wichtige Reisen, unter anderem nach Brüssel, Brügge, Gent und auch nach Aachen.
"Die Ausstellung zeigt das ganze grafische Werk von Albrecht Dürer, sprich die meisten seiner bekannten Druckgrafikblätter", erklärt Joris Van Grieken, Kurator der Ausstellung und Experte des Kupferstichkabinetts der Königlichen Bibliothek (KBR). Denn die Dürer-Exponate stammen allesamt aus dem immensen Grafik-Schatz der KBR.
Es sind auch nicht irgendwelche Drucke, wie der Kurator unterstreicht, es sind echte Zeitdokumente. "Die meisten gezeigten Drucke, um nicht zu sagen fast alle, sind nämlich tatsächlich noch zu Lebzeiten Dürers angefertigt worden." Anders gesagt: Die Besucher bekommen Drucke zu sehen, die Jahrhunderte alt sind, der älteste gezeigte stammt sogar aus dem Jahr 1498. Darunter Kostbarkeiten wie die sogenannten "Meisterstiche", das "Männerbad", "Nemesis" und viele mehr – und natürlich darf auch das allseits bekannte "Rhinocerus" nicht fehlen.
So einen Überblick über Dürers grafisches Werk habe es in Belgien in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr öffentlich zu sehen gegeben, zumindest nicht mit Drucken aus der Sammlung der KBR, betont Van Grieken. Diese Ausstellung sei für Belgien also etwas wirklich Seltenes und Neues.
Rund hundert Exponate können die Besucher dabei unter die Lupe nehmen - und das ist wörtlich zu nehmen. Denn das Museum stellt Besuchern tatsächlich Lupen zur Verfügung, mit denen sie durch die Ausstellung wandern und die oft unglaublich filigranen Details der Drucke und Stiche aus nächster Nähe inspizieren können. Und diese Möglichkeit sollte man auch wirklich nutzen. Denn Großformatiges von Dürer gibt es hier nicht – ein typischer Kupferstich hat nun einmal einfach nur in etwa die Größe einer Postkarte. Dürers Holzdrucke sind zwar nicht ganz so extrem, aber auch hier muss man schon fast so nah rangehen, dass die Nase gegen das Glas der Bilderrahmen stößt, um zu verstehen, warum Dürer als Meister dieser Techniken gefeiert wurde und noch immer wird.
Die Zeit Dürers in Antwerpen habe einen langen Schatten geworfen, erklärt der Kurator, auch das versuche man in der Ausstellung zu zeigen. Neben einem Überblick über die grafische Entwicklung von Albrecht Dürer selbst zeigt das Museum deswegen auch grafische Werke von regionalen Künstlern, die von Dürer beeinflusst worden sind. Dazu gehören beispielsweise Jan Gossaert und Lucas von Leyden, die wenn überhaupt nur in den größten deutschen Sammlungen vertreten seien. Das sei also schon eine relative Seltenheit, dass man diese Arbeiten zu sehen bekomme, so Van Grieken.
Und das ist im Prinzip auch schon ein fast perfektes Fazit für die Ausstellung "Dürer in Antwerpen". Es ist extrem selten, dass man in Belgien so eine qualitativ hochwertige Sammlung grafischer Arbeiten zusammen präsentiert bekommt. Und das Ganze auch noch in einem fast schon familiär übersichtlichen Rahmen, zu für heutige Verhältnisse recht demokratischen Preisen. Und wie schon anfangs erwähnt: Félicien Rops, Francisco Goya und "Der Schrei" von Edvard Munch sollte man vor lauter Dürer und Co. auch nicht vergessen bei seinem Besuch.
Die Ausstellung "Dürer in Antwerpen" ist in Antwerpen im Museum De Reede zu sehen. Sie läuft noch bis Ende März nächsten Jahres. Mehr Informationen zum Beispiel zu Öffnungszeiten und Tickets findet man auf der Webseite des Museums.
Boris Schmidt