Ein zu großen Teilen verwüsteter Kontinent, unvorstellbare Brutalität, Hungersnöte und tödliche Epidemien, die zusammen Millionen von Opfern gefordert haben – das ist der Dreißigjährige Krieg. Man kann ohne Übertreibung von einem kollektiven europäischen Trauma sprechen.
Aber während all dieses Blutvergießens ging das Leben trotzdem weiter. Das sieht man unter anderem an den Kunstgegenständen, die damals entstanden sind. Mehr noch, Kunst- und Kulturgüter haben im Dreißigjährigen Krieg sogar eine bedeutende Rolle gespielt.
Diesen Umstand macht sich das Haus der Europäischen Geschichte für seine neue, temporäre Ausstellung zunutze. Die Besonderheit der Ausstellung bestehe darin, dass sie im Wesentlichen auf Kunstwerken beruhe. Weil Kunstwerke eine erstklassige Quelle seien, um uns die damaligen Zustände zu beschreiben, erklärt die Chefkuratorin Andrea Mork.
Deswegen trägt die Ausstellung auch den Titel "Bellum et Artes", also "Krieg und Kunst". Sieger benutzten Kunst, um ihre Triumphe zu feiern, Kunst diente dazu, um Macht und Ansprüche zu demonstrieren, um Propaganda zu betreiben, um Gräueltaten festzuhalten und für vieles mehr. Und sicher nicht zuletzt wurde Kunst auch schon damals zum Opfer, zum Beispiel in Form von Kriegsbeute.
Die Ausstellung führt die Besucher also anhand von beeindruckenden Kunstgegenständen durch den Konflikt: farbenprächtige Gemälde, detaillierte Zeichnungen, filigrane Skulpturen, reich bebilderte Drucke, über und über verzierte Prunkwaffen, Rüstungen, Protzgegenstände, wissenschaftliche Apparaturen, aber auch Alltagsgegenstände des Krieges wie Münzen und Kleidungsstücke. Es handele sich zu 90 Prozent um Originale, betont Chefkuratorin Mork.
All das bringt den Besuchern das ferne 17. Jahrhundert näher. Unterstützt natürlich von zahlreichen Infotafeln in verschiedenen Sprachen, darunter auch Deutsch, und stellenweise auch großen Touchscreens zum Hineinzoomen in bestimmte Aspekte der Ausstellung.
Von der Lage unmittelbar vor dem Ausbruch des Krieges, dem "Pulverfass Europa", geht es in verschiedenen Räumen zunächst zu einer Übersicht der wichtigsten Protagonisten des Konfliktes, gefolgt von einem Einblick in die Finanzierung und Organisation der gegeneinander kämpfenden Soldaten beziehungsweise vor allem Söldner der Zeit.
Der nächste Raum beinhaltet den wohl bedrückendsten Teil der Ausstellung: Unter dem Titel "Die Schrecken des Krieges" stehen hier das Leid und die Gewalt im Mittelpunkt, denen Soldaten und Zivilisten ausgesetzt waren.
Die Ausstellung widmet sich aber auch ausführlich der Rolle der Medien. "Denn der Krieg sorgte für einen Boom der gerade neu erfundenen Schriftmedien", führt Mork aus. Und dann wird die Kunst selbst in den Mittelpunkt gestellt. Ein besonderes Herzstück der Ausstellung betreffe den Raub ganzer Sammlungen, die über den Kontinent geschoben wurden und auf oftmals abenteuerlichen Wegen an neue Orte gelangten, erklärt Mork.
Den Abschluss der Ausstellung bildet dann der Themenkomplex Krieg und Frieden in Europa beziehungsweise der Weg dorthin. Im Zentrum steht dabei natürlich zunächst der Westfälische Frieden selbst.
Aber aus Aktualitätsgründen endet die Ausstellung nicht damit. Die Besucher werden mit einer modernen Video-Installation über die Kriege und Konflikte aus dreißig Jahren der jüngeren Vergangenheit verabschiedet, sowie mit einem großformatigen Kunstwerk einer ukrainischen Künstlerin über den Überfall Russlands auf ihr Heimatland, bevor schließlich noch ein Bildschirm in Dauerschleife die Friedensverträge und -Konferenzen seit dem Ende des Dreißigjährigen Krieges bis 2014 auflistet.
Niemand könne bestreiten, dass sich das internationale Recht aktuell in einer sehr schwierigen Situation befinde, räumt die Chefkuratorin als eine Art Fazit ein. Gleichwohl wolle die Ausstellung daran erinnern, dass internationales Recht im Laufe der Geschichte das einzig geeignete Mittel gewesen sei, um Krieg zu beenden oder zu verhindern.
Die Ausstellung "Bellum et Artes – Europa und der Dreißigjährige Krieg" läuft vom 27. April 2024 bis zum 12. Januar 2025.
Der Besuch des Hauses der Europäischen Geschichte in Brüssel ist kostenlos (sowohl Dauerausstellung als auch temporäre Ausstellungen).
Mehr Informationen dazu auch unter historia.europa.eu.
Boris Schmidt