Sein nachgebautes Kinderzimmer ist ein gutes Beispiel für das Konzept "Memory Box", wie Marcin Dudek einige seiner Werke nennt. Sein ehemaliges Kinderzimmer steht im Ikob ohne Wände, Tapetenfetzen grenzen den Raum ab. Sie stammen - genau wie das Fenster und die Tür des Kunstwerkes - von Marcins Original-Jugendzimmer.
"Das Zimmer befand sich in einem schwierigen Viertel in Krakau, in einer Art Ghetto", erzählt Marcin Dudek. "Dort fühlte ich mich sicher. Aber die Außenwelt war ein schwieriger Ort, es war ein Problemviertel. Was Sie hier sehen, ist das Originalfenster. Das habe ich aus dem Raum entfernt, genauso wie die Tür. Ich versuche immer, authentische Elemente reinzubringen, um die Energie dieser Zeit zu aktivieren."
Das Zimmer erweckt Marcin Dudeks Jugend wieder zum Leben. Keine leichte Zeit, aufgewachsen ist er in einem Problemviertel im polnischen Krakau. Später rutschte er in die Hooligan-Szene ab - eine gefährliche Zeit.
"Als ich heranwuchs, wurde ich immer mehr Teil dieser Subkultur. Nach und nach wurde es zu einer Besessenheit und zu einem fanatischen Lebensstil. Irgendwann war meine Realität brutal. Ich habe einen Freund verloren. Er wurde in einem Zug umgebracht. Und ich hatte Probleme mit dem Gesetz. Ich musste etwas ändern. Ich wandte mich der Kunst zu. Und die Kunst hat mich befreit." Eine Film-Installation zeigt den Kontrast zwischen Gewalt und Kunst. Es sei absurd, wie verschieden beide Welten sind, sagt Marcin Dudek.
Zwei Welten trafen auch aufeinander, als Anfang der 90er der Kapitalismus in Polen Einzug erhalten hat. "Die Leute wurden sehr kreativ zu dieser Zeit. Meine Schwester hat heimlich einen Keller in einen Frisörsalon umgewandelt - gemeinsam mit meinem Vater. Das ganze hielt 35 Jahre lang. Es fasziniert mich. Ich habe sie vor zwei Jahren gefragt, ob ich alles abnehmen und die Innenausstattung archivieren darf."
Dudek hat den alten Salon seiner Schwester im Ikob originalgetreu aufgebaut. Vom Keller ins Museum. Aus Alt macht Neu. Ein weiteres wieder-kehrendes Motiv in seiner Arbeit..
So stehen im Ikob jetzt auch einige Fitness-Geräte. Beim näheren Hinsehen stellt sich heraus: Die Gewichte waren früher einmal Teile eines Heizkörpers.
"Mich hat fasziniert, wie dieser Mangel Leute kreativ gemacht hat. Sie haben alles um sie herum ihren Bedürfnissen angepasst. Ich erinnere mich, wie man Bausteine vom Bürgersteig aufhob und sie in den Keller stellte, um sie dort für Fitness zu gebrauchen. Die Leute waren Überlebenskünstler. Es zeigt, wie Menschen kreativ werden, wenn ihr Umfeld ihnen nicht alles gebrauchsfertig liefert."
Not macht erfinderisch. Aus Mangel werden Dinge kreativ recycelt. Ein Thema, das wieder aktuell ist, findet der Künstler Marcin Dudek. Für seine Werke verwertet er Vergangenes, nicht mehr Gebrauchtes wieder neu - das gilt für Materialien, sowie für seine eignen Erinnerungen.
Das Ikob-Museum in Eupen ist dienstags bis sonntags von 13 bis 18 Uhr geöffnet.
Zu sehen ist die Ausstellung von Marcin Dudek noch bis zum 26. November. Dann wird sie im Rahmen der Finissage mit einer Live-Performance abgeschlossen.
Raffaela Schaus
Warum findet diese Ausstellung nicht im polnischen Krakau statt? Was ist der Zusammenhang mit Belgien?