"Hier hat Felix Nussbaum gewohnt, geboren 1904 in Osnabrück, politischer Flüchtling, 1937 Brüssel, verhaftet 21.06.1944, festgehalten in Mechelen, deportiert 31.07.1944, Auschwitz, ermordet August 1944". Mehr erfährt man nicht von dem Stolperstein vor der Hausnummer 22 der Rue Archimède in Brüssel. Aber was versteckt sich hinter dieser so knappen Zusammenfassung eines ganzen Lebens auf der kleinen Messingfläche?
Einen zumindest ersten Eindruck will die Wanderausstellung "Unterwegs mit Felix Nussbaum" geben, die aktuell Station macht in der Vertretung des Landes Niedersachsen in Brüssel, wie der Vorsitzende der Felix-Nussbaum-Gesellschaft, Heiko Schlatermund, erklärt: "Wir wollen damit auch erreichen, dass die Menschen sich für das Gesamtwerk Nussbaums interessierten. Nussbaum war nicht nur ein Maler des Holocaust. Wenn er nicht dieses Schicksal erlitten hätte, würde man heute sehen, was für ein fantastischer Maler er insgesamt gewesen ist."
Mit insgesamt 20 Reproduktionen soll der Besucher einen repräsentativen Überblick über das Leben und Schaffen Nussbaums bekommen. Angefangen von seinem Kunststudium in Berlin über eine zunächst sehr beeindruckende Karriere als Vertreter der "Neuen Sachlichkeit", die ihn in den frühen 1930er-Jahren sogar bis nach Italien führt. Dort holt ihn dann aber die neue politische Realität in seiner Heimat ein, die er nach der Machtergreifung des Nazis nie wiedersehen wird.
Zerstörung, Verzweiflung, Flucht und Ausgrenzung
Sein bisheriges Leben wird vollkommen aus der Bahn geworfen, wie sich auch an seinen Motiven ablesen lässt: Aus farbenfrohen Bildern und Selbstbildnissen aus den 1920er-Jahren, mit denen er zum Beispiel seine Bewunderung für Van Gogh zum Ausdruck bringt, werden ab 1933 zunehmend Visionen von Zerstörung, Verzweiflung, Flucht und einem ausgegrenzten Leben im Exil." Nussbaum hat im weiteren Verlauf auch immer seine eigene Situation in seinen Zeichnungen deutlich gemacht", so Schlatermund.
Der Krieg und damit die Vernichtungsmaschinerie der Nazis erreichen schließlich auch Belgien – "Der Sturm", "Angst", "Selbstbildnis mit Judenpass", "Die Verdammten" – allein die Titel einiger der aus dieser Zeit erhaltenen und immer düsterer werdenden Bilder sprechen für sich. "Das zieht sich durch bis zum Ende der Ausstellung. Sein 'Triumph des Todes" ist so apokalyptisch, da kann man sehr schön verfolgen, wie er sich fühlte und wie sich seine Situation immer weiter verschlimmerte", führt Schlatermund aus.
"Triumph des Todes" ist dann auch das letzte bekannte Werk von Felix Nussbaum, signiert hat er es nur knappe zwei Monate vor seiner Verhaftung, Überführung ins Sammellager in Mechelen und letztlichen Ermordung in Auschwitz.
Für sich genommen, so zynisch das auch klingen mag, ist dieses Schicksal nicht weiter außergewöhnlich für seine Zeit, schließlich verfolgen und töten die Nazis viele Millionen Menschen wie Felix Nussbaum. Was ihn und sein Werk aber zumindest sehr bemerkenswert machen, das ist nicht nur, dass er diese Verfolgung als Künstler dokumentiert hat. Was seine Bilder so unglaublich eindringlich macht, das sind die Umstände, unter denen sie entstanden sind.
Krieg, Mord, Vetreibung und Schicksale
Trotz Untertauchen und in Verstecken hausen müssen, den Razzien, der ständigen Angst entdeckt und umgebracht zu werden, hat Nussbaum weiter gemalt, wie auch der deutsche Botschafter in Belgien, Martin Kotthaus, hervorhebt. Es sei ein Werk, das sehr nahegehe. Es handele sich ja um ein Werk eines Menschen, von dem man spüren könne, dass ihm der Tod über die Schulter geschaut habe. Und trotzdem habe er weitergearbeitet und weiter geschaffen. Dass diese Ausstellung nun in Brüssel zu sehen sei, trage auch dazu bei, dass der Wunsch des Künstlers erfüllt werde, dass seine Bilder im Fall seines Todes gezeigt werden sollten.
Und nicht zuletzt erinnern sowohl das Schicksal als auch die Motive an das, was viele Menschen in Europa auch jetzt gerade wieder erleben müssen, so der niedersächsische Europa-Staatssekretär Matthias Wunderling-Weilbier: "Mit dieser Ausstellung ist auch eine traurige Aktualität erreicht: Der furchtbare Angriffskrieg der Russen in der Ukraine zeigt sehr deutlich, dass Krieg, Mord, Vertreibung und schlimme Schicksale nach wie vor Aktualität haben", so der Staatssekretär.
Die Wanderausstellung "Unterwegs mit Felix Nussbaum - Eine deutsch-belgische Künstlerbiographie im Schatten von Krieg, Verfolgung und Exil" ist nach vorheriger Terminabsprache noch bis zum 6. Oktober 2023 in der Vertretung des Landes Niedersachsen in Brüssel zu sehen.
Boris Schmidt