Die Ausstellung "Westalgie" der deutschen Installationskünstlerin Henrike Naumann wartet mit Wohnlandschaften aus den 90er Jahren auf. Es geht ihr aber nicht nur um die Möbel und Deko-Artikel selbst, so Ikob-Direktor Frank-Thorsten Moll. "An jedem Produkt und Möbelstück hängt ja eine Geschichte und Ideologie. In den 90er hat man gefeiert, dass alles möglich war: Fernseher waren plötzlich rund, Spiegel verzerrt, Uhren waren Dali-Uhren, Schränke in jeder Form. Man probierte alles aus."
Mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung war das Jahrzehnt vor allem in Deutschland eine Zeitenwende. Aufgewachsen in der DDR ist Henrike Naumann auch jetzt eine genaue Beobachterin in Sachen Wandel. "Deswegen schaut sie auch heute hin, wenn Möbel aus dem Fenster fliegen und wenn man Fotos von Bolsonaro-Fans sieht, die aus dem Parlament Möbel aus dem Fenster werfen. Sie interessiert sich: Wofür stehen diese Möbel?"
Eine weitere Frage, die Naumann in den Raum wirft: Hätte auch Ostbelgien Teil der deutschen Wiedervereinigung werden können?
Ikob-Direktor Frank-Thorsten Moll ahnt, dass solche Fragen auf Ablehnung stoßen würden. "Die Frage ist aber keine illegitime Frage. Naumann stiftet mit solchen Fragen Wirrwarr. Es sind Fragen, die wehtun."
Ähnlich ist es bei den Parallel-Ausstellungen im Ikob-Erdgeschoss. Tom Bogaerts beschäftigt sich hier im Ikob - als Künstler - zum ersten Mal mit Fragen aus seinem eigenen Leben. Er war in seiner Jugend in einem flämischen Flaggenwerfer-Verein. Damals habe er nicht darüber nachgedacht. Heute stellt er die Vergangenheit in Frage.
"Eine Flagge hat einen wichtigen und symbolträchtigen Wert. Und ich frage mich also: Wie kommt es, dass ich als 13-,14- und 15-Jähriger damals dort stand mit einem flämischen Löwen und sehr traditioneller Musik? Damals habe ich wenig darüber nachgedacht. Erst im Nachhinein stelle ich mir die Frage: Wie wird das gesehen - auch im allgemeinen Kontext der flämischen Bewegung?"
Im Ikob werden Fotoalben seine Zeit im Flaggenwerfer-Verein zeigen. Eine Installation aus Warm-Halte-Folie reflektiert die Farben der flämischen Flagge.
Die dritte Ausstellung im Ikob heißt "Dauergloss" von Merle Vorwald. Ausgangspunkt war die Biografie ihres Großvaters, eines Alt-Nazis.
"Das Projekt hat angefangen als Webseite. Aber dann habe ich gemerkt: Da will noch was anderes raus. Es ging immer mehr um Sprache. Der visuelle Prozess wurde dann mehr zum Schreibprozess. Es hat die Form eines fragmentarischen Drehbuchs angenommen."
Drei Ausstellungen mit verschiedenen kreativen Ansätzen, um Fragen aufzuwerfen. Beantworten kann man die oder andere vielleicht mit einem Ausflug in die Vergangenheit.
Ab diesen Sonntag, dem 22. Januar kann man die Werke der drei Künstler im Ikob in Eupen sehen. Die Vernissage beginnt um 15:00 Uhr. Öffentliche Führungen gibt es immer dienstags um 16:00 Uhr.
Raffaela Schaus