"Zum einen fühlt man sich aus der Arbeit rausgerissen. Dann fängt man an, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Mir ist dann wirklich bewusst geworden: Sprache ist so weit nicht von meiner Arbeit entfernt. Es gibt eine Reihe Arbeiten, in denen ich Wörter und Sätze verarbeite, und es gibt ja auch die Bildsprache", sagt Andrea Radermacher-Mennicken.
"Erstmal war es schwierig: Ich hatte das Gefühl, ich bin in einem Bereich ohne Sprache. Doch beim Nachdenken stellte ich fest: Man ist doch stark mit Sprache verbunden. Wir gehen in einen Dialog zwischen uns beiden, da entsteht Sprache auf verschiedenen Niveaus - über Bild, über Wort, alle möglichen Dinge", so Tanja Mosblech.
Andrea Radermacher-Mennicken und Tanja Mosblech haben die Herausforderung angenommen, einen künstlerischen Dialog zum Thema Sprache zu führen. Als Ausgangspunkt haben sie einen Schrifttext gewählt, wie Andrea Radermacher-Mennicken erklärt: "Das ist ein Text, den fast alle kennen. Der erste in der Bibel. Unsere Kultur ist davon geprägt. Der Text spricht von Schöpfung, von Kreativität, aus dem Nichts gestalten."
Mit der "Erschaffung der Welt" von Andrea Radermacher-Mennicken beginnt der künstlerische Prozess der gegenseitigen Inspiration. "Dann hat sie angefangen, den Text übereinander zu setzen in der Mitte. Man liest Anfang und Ende, die Schriften in der Mitte sind übereinander. Für mich hat das eine Wolke ergeben. Diese Ursuppe habe ich dann bildnerisch umgesetzt", so Tanja Mosblech.
Die künstlerische Antwort darauf kam dann sehr schnell, sagt Andrea Radermacher-Mennicken: "Tanja hatte mir ein Foto von ihrer Arbeit gesendet. Ein übermaltes Bild. Als ich das Foto gesehen habe, war die Malerei noch nicht ganz trocken. Da dachte ich sofort an Samt - das hat neue Assoziationen ausgelöst." Daraus gestaltet sie die Monotypie "Gewöhnungssache" mit Samt und Acrylspray.
Der Dialog inspiriert die Künstlerinnen zum Experimentieren - zum Beispiel mit altem Stencil-Papier und Schreibmaschine. Die Antwort darauf fiel Tanja Mosblech nicht schwer: "Dieses Aufrechtstehen, zur Wahrheit, zu sich stehen, macht viele Türen auf. Ich versuche immer, große Themen mit so wenig wie möglich darzustellen. Daher die Idee, Körper zu filmen."
Um eine Frage der Haltung geht es auch in den beiden Radierungen von Andrea Radermacher-Mennicken. Die beiden Künstlerinnen lassen sich die Freiheit, mit einem oder mehreren Werken den Dialog fortzusetzen.
"Und da kommt dieser rote Lippenstift, der bei mir auch viel ausgelöst hat. Meine Mutter ist ihr Leben lang mit rotem Lippenstift durch die Welt gegangen. Mit dem habe ich gemalt. Dann habe ich auch eine sehr weibliche Technik aufgegriffen: die Stickerei", meint Tanja Mosblech.
Stickerei, Malerei, Drucke, Videos - die Ausdrucksmittel der beiden Künstlerinnen sind vielfältig. Für beide ist der Dialog ein spannender Prozess, so Andrea Radermacher-Mennicken, weiter: "Wir haben viele Gemeinsamkeiten, aber arbeiten so unterschiedlich, dass zwischen unseren Arbeiten Spannung entstehen kann. Ich glaube, dass für Betrachter diese Gegensätzlichkeit interessant sein kann."
Drei Jahre haben die beiden Künstlerinnen Zeit, ihr Projekt umzusetzen. Am Ende werden sie ihre Auseinandersetzung mit dem Thema Sprache der Öffentlichkeit präsentieren - in welcher Form, das bleibt offen und spannend.
Tanja Mosblech und Andrea-Radermacher-Mennicken sind Ostbelgiens Künstlerinnen des Jahres 2020
Michaela Brück