Wir stehen in einem fast schon unscheinbarer Container, mitten auf dem zentralen Platz in Molenbeek. Klanglandschaften auf den Ohren. Ein Tablet in der Hand. Wir stehen vor einem Foto. Dann richten wir die Tablet-Kamera auf das Foto und schauen auf den Bildschirm. Und auf einmal beginnt das Foto zu leben: "Das Tablet erkennt das Bild", sagt Daniel Offermann, "und dann fährt quasi eine neue vierte Dimension aus dem Tablet raus. Das sind Zeichnungen, die eben nicht wie klassische Zeichnungen auf Papier aufgetragen sind, sondern in einem Raum gezeichnet wurden. Je nachdem, wie man sich mit dem Tablet bewegt, verändert sich auch der Sound."
Eben diese Sounds hat der Eupener Musiker Daniel Offermann beigesteuert, der sich ja als Bassist der Popgruppe Girls in Hawaii und auch als Solokünstler längst einen Namen gemacht hat. Das Foto bekommt auf dem Tablet-Display also eine ganz neue Dimension. "Man sieht aus den Fotos eine 3D-Zeichnung heraus kommen - begleitet von Klanglandschaften - und hat dann quasi eine zweite Lektüre." Das Ganze lässt den Betrachter eintauchen in das Foto. Es ist, als würde man den Moment nicht nur sehen, sondern richtiggehend erleben.
Vielfalt in Brüssel
Dieses "Gesamtkunstwerk", das ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Gemeinschaftsproduktion, an dem, neben Daniel Offermann, noch zwei weitere Künstler maßgeblich beteiligt sind: Der Fotograf Olivier Cornil und die Illustrationskünstlerin Pauline de Chalendar. Die drei hatten sich nach einem Projektaufruf der Region Brüssel beworben und mit ihrem originellen Projekt die Ausschreibung gewonnen. Titel der Schau: "Mixity 183". Es geht um Vielfalt, "um Vielfalt in der Stadt Brüssel. Es geht um kulturelle und religiöse Vielfalt, um Alter - all das, wo es halt Verschiedenheiten gibt bei den Bewohnern der Stadt. Brüssel ist ja, glaube ich, die Stadt mit den zweitmeisten Nationalitäten weltweit: 183 Nationalitäten leben in Brüssel - deswegen auch der Titel der Ausstellung: Mixity 183", erklärt Offermann.
Doch wie stellt man die Vielfalt dar? Indem man versucht, die Stadt in ihrer Vielfalt zu "erleben", sagt Daniel Offermann, gewissermaßen Spuren zu spüren... "Wir sind eigentlich wie Schmetterlingsjäger durch die Stadt gegangen und haben nach Beispielen dafür gesucht, wo Vielfalt in Brüssel gelebt wird. Das war unser Ausgangspunkt. Das Bild von den Schmetterlingsjägern passte uns ganz gut: Ich habe einfach versucht mit meinem Mikrofon sehr viel einzufangen, zu sammeln und dann auch wieder zusammen zu würfeln."
"Schmetterlinge" sind den Künstlern viele ins Netz gegangen. Spannende Begegnungen waren es, mit den verschiedensten Leuten - gelebte Vielfalt eben. Und all diese Eindrücke, die haben die drei Künstler danach verarbeitet. Aber, nicht jeder im stillen Kämmerlein, nein, die drei haben sich gemeinsam Gedanken gemacht, sich gegenseitig inspiriert, an einem Gesamtbild gearbeitet. "Manchmal ging es vom Foto aus, manchmal konnten Leute unheimlich gut reden, dann haben wir auch einfach Gespräche mitgeschnitten. Wir haben zum Beispiel auch ein Weltmusik-Projekt gesucht - da war dann klar, dass es vom Klang ausgeht. Und so war jedes Projekt eine neue Suche."
Keine heile Multikulti-Welt-Ausstellung
Vielfalt, Multikulturalität, Schlagworte, die heute freilich auch polarisieren können. Auch innerhalb des Künstlerkollektivs gab's Diskussionen. Jeder hat eben eine eigene Meinung zu dem Thema. Und auch das wollten die Künstler darstellen. "Wir wollten von vornherein vermeiden, dass es so eine heile Multikulti-Welt-Ausstellung wird. Die Vielfalt in Brüssel ist einfach eine Tatsache. Wie gehen wir damit um? Wie können wir das Positive herausziehen? Wo sind die Probleme? Das sollte in der Ausstellung, ohne Sachen zu beschönigen, dargestellt werden", so Offermann.
Für die Region Brüssel ging es auch darum, ein Bild geradezurücken. Erst recht nach den letzten zwei Jahren, wo ja insbesondere Molenbeek häufiger mal Negativschlagzeilen gemacht hat. "Deswegen war es uns auch wichtig, dass diese Ausstellung nicht einfach nur im Europaviertel steht, wo alles schön sauber ist, sondern dass die Ausstellung wandert und eben auch in Molenbeek, Saint Gilles und vor dem Königspalast stattfindet."
Genau dort steht das Pop-Up-Museum gerade, im Brüsseler Park. Später geht’s noch zur Place Flagey und dann, zum Schluss, auf den Platz vor dem Europaparlament. Zu sehen ist Mixity 183 noch bis zum 26. Oktober.
rop/mg - Bilder: Roger Pint/BRF