Hergé ist weltbekannt als "Vater" von Tim und Struppi. Doch er machte viel mehr als die Comics, er war auch Maler und Grafikdesigner. Einige Werke erinnern an die Bildsprache von Joan Miró und Alexander Calder, andere wiederum an die von Amedeo Modigliani. Entstanden sind diese außergewöhnlichen Hergé-Arbeiten in Acryl in den 60er-Jahren. Nun hängen sie im Pariser Grand Palais in einer Ausstellung, die erstmals eine weitgehend unbekannte Facette des Zeichners in den Fokus rückt: Hergé als Maler und sogar als Kunstsammler.
Die Gemälde sind zu einem Zeitpunkt entstanden, zu dem Hergé schon lange als Comiczeichner weltberühmt war. Es sind farbkräftige gegenständliche und abstrakte Bilder. Die Phase als Maler war allerdings von kurzer Dauer. Denn für Hergé, der 1907 als Georges Prosper Remi in Brüssel geboren und dort 1983 gestorben ist, war die Malerei keine Kunst, die er nebenbei praktizieren konnte.
Ihr müsse man ein ganzes Leben widmen, befand er. Da er nur eines habe, das schon weit fortgeschritten sei, müsse er wählen. Er könne kein Sonntags- oder Samstagnachmittagsmaler sein, das sei unmöglich. Die Malerei oder Tintin - beides ginge nicht, lautete seine Entscheidung.
Ligne claire
Die Bilder unterscheiden sich durch Motiv und Ästhetik, lassen jedoch seine "Ligne claire", die klare Linie, erkennen. Diese von Hergé eingeführte Stilrichtung im Comic zeichnet sich durch präzise Konturen und flächigen Farbauftrag aus.
Hergés Interesse für Kunst geht schon auf seine Anfänge als Mitarbeiter der katholischen Zeitung "Le Vingtième Siècle" zurück. Für sie schrieb er unter anderem Artikel über Künstler wie Van Gogh, Dürer, Goya und Monet. Seine Vorliebe für bildende Kunst und Artefakte habe schon immer in ihm geschlummert, schrieb Fanny Rodwell, die zweite Frau Hergés. Sie arbeitete als Koloristin in seiner 1950 gegründeten Produktionsgesellschaft Studio Hergé.
Von seiner Sammlerleidenschaft zeugen die Werke und Skulpturen von Jean Dubuffet, Serge Poliakoff, Pierre Alechinsky und Lucio Fontana. Sie hängen neben Masken aus Afrika, die in seinen Abenteuern mit Tim und Struppi auftauchen. In "Tim und die Picaros" findet sich auch ein Werk wieder, das an die abstrakte Kunst von Poliakoff erinnert.
Weitgehend unbekannt ist, dass Hergé auch als Grafikdesigner arbeitete. Einige seiner Werbeplakate aus den 30er Jahren sind in der Ausstellung ebenfalls zu sehen. Das kreative Genie stünde im Mittelpunkt, sagte der Kurator Jérôme Neutres. Deshalb wird am Ende der bis zum 15. Januar dauernden Ausstellung auch Hergé als einer der bedeutendsten Pioniere der Comic-Welt gewürdigt - mit seinen wichtigsten Alben und schönsten Zeichnungen.
Text und Bild: Sabine Glaubitz/DPA