Christoph Driessen ist Niederländer, der aber in Deutschland geboren wurde und schon seit Jahren in Köln bei der Deutschen Presse Agentur (DPA) arbeitet. Schon 2018 hatte Driessen mit einem viel beachteten Buch über die Geschichte Belgiens auf sich aufmerksam gemacht. Damals war es das erste Buch überhaupt in deutscher Sprache, das einen Gesamtüberblick über die Geschichte Belgiens geliefert hat, und das zusätzlich in einer Form und Sprache geschrieben ist, die zugänglich für Jedermann ist.
Das gleiche gelingt Driessen jetzt auch mit dem Buch über die EU. Es mach Spaß, "Griff nach den Sternen" zu lesen. Es ist ein "populärwissenschaftliches" Buch. Alles beruht auf wissenschaftlich belegten Fakten, ist aber so geschrieben, dass jeder normale Mensch, der sich ein bisschen für die Thematik interessiert, es mit Spaß und Gewinn lesen kann. Man muss kein EU-Kenner oder Geschichtsprofessor sein, um das Buch zu genießen.
Ein bisschen wie im Film
Driessen erreicht das mit ähnlichen Mitteln wie denen, die er auch schon bei seinem Belgien-Buch angewendet hat. Nämlich durch eine Darstellung, die natürlich die zeitlichen Abläufe und Ereignisse erzählt, das aber sehr souverän macht und bei den großen Linien und Leitideen bleibt.
Allerdings - und das ist die nächste Stärke des Buchs - lockert Driessen die großen Linien immer wieder durch kleine Begebenheiten auf, durch Schlüsselmomente, die er szenisch beschreibt: Wenn ein Politiker einen anderen Politiker trifft, wie das abläuft, was der eine oder andere dabei empfindet oder nicht, was gegessen wird, welche Sorgen diese großen Männer und Frauen der Geschichte gerade haben usw. Der Leser wird dadurch Augenzeuge von den Dingen, die passieren. Ein bisschen wie in einem Film.
Springen zwischen vielen Orten
Driessen springt hin und her zwischen den Orten, wo etwas passiert. Wo die Handlung dann gerade stattfindet, macht er mit Ortspitzmarken deutlich, die immer am Anfang der Absätze stehen. Das lockert zum einen das Lesen auf, verdeutlicht aber zum anderen auch, dass die EU tatsächlich nicht nur an ein oder zwei Orten erfunden wurde und entstanden ist, sondern dass das ein Prozess war und ist, der an vielen Orten stattfand und immer noch stattfindet.
Von Jean Monnet bis Angela Merkel
Aufgelockert wird das Erzählte - wie auch schon im Belgien-Buch - durch zahlreiche Fotos sowie Porträts und Stichwörter, die außerhalb des Fließtexts stehen, so wie Info-Kästen in Zeitungen und Zeitschriften. In diesen Porträts und Stichwörtern werden die einzelnen europäischen Einrichtung vorgestellt sowie Personen, die wichtig für die EU waren. Kurzporträts von Jean Monnet, Robert Schuman, Paul-Henri Spaak und Konrad Adenauer sind genauso zu lesen wie von Simone Veil, Helmut Kohl, Angela Merkel und vielen mehr.
Mit seiner eigenen Meinung zur EU und ihrer Geschichte hält sich Driessen bewusst zurück. Auch das ist ein Gewinn für das Buch. Er wolle die Menschen informieren über den Entstehungsprozess der EU, diese "spannende Geschichte" erzählen, wie Driessen im BRF-Interview selbst sagt. Aber nicht den Lesern seine Meinung aufdrücken. Was jeder Einzelne daraus macht, überlässt Driessen den Lesern selbst.
Keine EU-Finanzierung
Ausdrücklich weist er deshalb auch schon in seinem Vorwort darauf hin, dass er das Buch ganz aus freien Stücken, aus eigenem Interesse und nicht etwa im Auftrag der EU geschrieben habe und dass das Buch von der EU auch keinesfalls finanziell gefördert worden sei.
Christoph Driessen, "Griff nach den Sternen. Die Geschichte der Europäischen Union", Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2024. 288 Seiten. Preis: 29,95 Euro.
Kay Wagner