Die einen reiben sich die Hände vor Begeisterung, die anderen schmollen und sind verärgert: Der neue Gaston Lagaffe mit dem Titel "Le Retour de Lagaffe" - die Rückkehr von Lagaffe - spaltet die Fans.
Die einen sind begeistert, neue Abenteuer ihres Lieblingsheldens zu lesen. Die anderen empfinden den neuen Band als Verrat an dem Vermächtnis des Schöpfers von Gaston, André Franquin. Der war 1997 gestorben und hatte Zeit seines Lebens wohl mehrmals gesagt, dass er nicht wolle, dass nach seinem Tod jemand anderes die Figur des Gaston Lagaffe weiter benutze.
Das behauptet auch weiterhin die Tochter von Franquin, Isabelle. Als vor dem geplanten neuen Album erste Sketche von Gaston in der Zeitschrift "Spirou" erschienen, stoppte Isabelle die Veröffentlichungen durch einen Gerichtsbeschluss.
Nicht nur ein Rückschlag für den Verlag Dupuis, der den 22. Gaston-Band zum 100-jährigen Verlagsjubiläum herausbringen wollte, sondern auch ein Rückschlag für den kanadischen Comiczeichner Marc Delafontaine. Er hatte von Dupuis den Auftrag erhalten, den neuen Gaston zu zeichnen, hatte schon viel Arbeit in den Auftrag gesteckt. Alles schien in Frage gestellt.
Wende vor Gericht
Im Rückblick stellt der Zeichner das allerdings nicht so dar. Bei der RTBF sagte er jetzt: "Mir war von Anfang an klar, dass ich diese Arbeit nicht umsonst machen würde. Ich habe zunächst vor allem für mich selbst gezeichnet, um Spaß zu haben und zu lernen. Ich habe mir gesagt: Die ganze Technik, die Franquin benutzt und entwickelt hat, wenn du davon auch nur ein bisschen für dich lernen kannst, wirst du dein ganzes Leben lang davon profitieren."
Und dann doch die Wende vor Gericht. In einem als salomonisch zu bewerten Urteil gab das Gericht dem Verlag grünes Licht, neue Gaston-Zeichnungen zu veröffentlichen. Allerdings bekam die Tochter von Franquin das Recht, neue Zeichnungen aufgrund von ethischen oder moralischen Bedenken verbieten zu lassen.
Von diesem Recht machte Isabelle nicht Gebrauch. Mit der Begründung, dass sie dann ja grundsätzlich anerkennen würde, dass man neue Gaston-Sketche veröffentlichen darf. Das findet sie aber weiterhin nicht. Sie besteht weiter darauf, dass Gaston mit ihrem Vater zusammen gestorben sei.
Deshalb ist er jetzt also doch erschienen, der neue Band mit neuen Gaston-Abenteuern. Was er bietet? Neue Abenteuer und Situationen des faulen Antihelden natürlich, aber sonst fast genau das gleiche, was man schon von Franquin kennt. Keine Modernisierung von Gaston und seiner Umwelt, keine Zeitreise aus dem Universum der 60er und 70er Jahre ins Jahr 2023.
Fans gespalten
Zeichner Delfontaine verteidigt diese Wahl: "Es ist so viel Zeit vergangen seit den letzten Gags von Franquin. Ich habe keine Ahnung, was Franquin von unserer heutigen Zeit gehalten hätte. Vom Internet, dem ständigen Online-Sein, den Sozialen Netzwerken. Ich hatte keine Lust, ihm Wörter in den Mund zu legen, mich selbst zum Gesellschaftskritiker aufzuschwingen und Gaston dafür zu benutzen. Das hätte ich wie eine Art Verrat an Gaston empfunden."
Bei der Kritik kommt diese Wahl unterschiedlich an. Die Zeitung La Libre Belgique ist begeistert von dem neuen Band, die Zeitung Le Soir schmollt zusammen mit Franquins Tochter und bezeichnet den neuen Gaston als überflüssig. Alles liegt wohl im Auge des Betrachters - selbst unter den Fans.
Kay Wagner