Leidenschaft und Kontroverse, und dies sowohl in der Einzahl als auch durch das Anfügen eines kleinen (s) in Klammern im französischen Titel "Opéra, Passion(s) et Controverse(s)" in der Mehrzahl ist der treffende Titel dieses gut 100 Seiten starken Büchleins, das uns den Menschen und den stets engagierten Kulturmanager Peter De Caluwe näherbringt.
Stéphane Renard, ehemals Chefredakteur des Magazins "Le Vif" und Journalist bei "L‘Écho", hat De Caluwe viele Stunden zu offenen Gesprächen getroffen und diese für das Buch ganz im Stile der Oper in vier Akte unterteilt, die De Caluwes Sicht auf den Opernbetrieb und das Kulturleben allgemein deutlich machen.
Nach einer kurzen biographischen Einleitung, die den Werdegang De Caluwes, der aus einer bürgerlichen Familie im flämischen Termonde stammt und nach dem Philologie-Studium seiner Leidenschaft Oper folgte und bei Gérard Mortier seine ersten Erfahrungen sammeln konnte, heißt es gleich im ersten Akt: "Das Publikum darf und muss verführt werden, aber nicht zu gleich welchem Preis". De Caluwe macht sofort deutlich: Oper ist nicht reines Entertainment, sondern Oper braucht eine Aussage, darf und muss uns aufrütteln. Damit ist Oper auch ein politischer Akt, so der Titel des zweiten Akts.
Für De Caluwe kann es auch keine Kunst ohne Skandal geben, wobei er den Skandal nicht wegen des Skandals sucht, sondern sich sehr explizit über die Bedeutung des Wortes "Skandal" auslässt: "Wir brauchen diesen Stein des Anstoßes. Kunst und damit auch die Oper zeigt unsere Realität, unsere Fehler und unsere Hoffnungen auf. Durch ständiges Fragen und Antworten entsteht letztendlich die Harmonie."
Und wer immer noch der Meinung ist, dass Kultur in erster Linie doch nur Geld kostet, dem sei der vierte Akt zur aufmerksamen Lektüre empfohlen. Sicher hat Kultur ihren Preis, aber was ist dies im Vergleich zum enormen Zugewinn, den Kultur und damit auch die Oper uns, der Menschheit und der Zwischenmenschlichkeit bietet. Dies ist aktueller denn je, wenn wir die Entwicklung der Kulturpolitik in Flandern beobachten.
Neben den Interviews - Autor Stéphane Renard betont in seiner Einleitung, dass Peter De Caluwe ihm absolut freie Hand ließ - liefert der Brüsseler Operndirektor als Zwischenakte drei eigene Textbeiträge zu emblematischen und stark diskutierten Inszenierungen seiner zwölfjährigen Intendanz. Vor allem ist es ihm ein Anliegen, seine Sicht zu den Kontroversen um Romeo Castelluccis "Zauberflöte"-Produktion und Andrea Breths Inszenierung von Verdis "La Traviata" deutlich zu machen.
Oper muss Leidenschaft und Kontroverse sein, nur so macht die seit dem frühen 17. Jahrhundert gelebte Kunst Sinn. Peter De Caluwe ist dafür ein schöner Beleg und Garant.
Erschienen ist die französischsprachige Ausgabe des Buches "Opéra, Passion(s) et Controverse(s)" im Verlag Racine und in niederländisch bei Lanoo.
Hans Reul