Dr. Marcus Reuter, Sie sind Direktor des Rheinischen Landesmuseums in Trier, mit welchem Gefühl gehen Sie in die große Landesausstellung zu Marc Aurel?
Mit einem sehr guten. Es ist das erste Mal, dass es eine große Ausstellung zu diesem interessanten Kaiser gibt. Wir haben im Vorfeld schon gespürt: Das Interesse nicht nur der Presse, auch der potenziellen Besucher ist sehr groß. Wir haben sehr, sehr gute Buchungszahlen und im Laufe der jahrelangen Vorbereitungen haben wir auch gemerkt, dass das ein ganz tolles Thema, ein ganz großes Thema ist. Und insofern freuen wir uns auf die kommenden Monate.
Der Name Marc Aurel ist bekannt. Sie haben aber darauf hingewiesen, dass er eigentlich gar nicht dazu bestimmt war, römischer Kaiser zu werden.
Ja, es ist in der Tat ein sehr interessantes Leben. Wenn sein Leben normal verlaufen wäre, wäre er nie Kaiser geworden. Er ist im Laufe seines Lebens zweimal adoptiert worden. Er hat zweimal seinen Namen geändert. Und als er dann Kronprinz geworden ist, war der damals regierende Kaiser recht alt und man hat erwartet, Marc Aurel wird bald nachrutschen auf den Thron. Und dann hat der alte Kaiser noch 23 Jahre gelebt, und so lange war der Marc Aurel Kronprinz. Kein anderer Kaiser ist so gut auf sein Regierungsamt vorbereitet worden wie Marc Aurel. Es hat ihm auch nicht geschadet, so viel Praxis zu sammeln. Und dann seine 19 Regierungsjahre, auch die sind von vielen Rückschlägen persönlicher Art geprägt: Er verliert einige seiner elf Kinder. Dann kommt die Pest, die Parther greifen im Osten das Reich an und dann lange Kriege an der Donau, obwohl er eher der Philosophie zuneigte. Aber er hat das alles mit sehr viel Pflichtbewusstsein auf sich genommen.
Heute wird er auch als der "Philosoph auf dem Kaiserthron" gesehen. Diese Seite an ihm war zu seiner Zeit gar nicht so bekannt.
Nein, und das ist mit das Interessanteste, was wir in der Ausstellung finden. Die Römer haben ihn nie als Philosophenkaiser gesehen. Seine weltbekannten "Selbstbetrachtungen" hat kein Römer je zu lesen bekommen. Das waren private Notizen, die er an sich selbst gerichtet hat und die nach seinem Tode von irgendjemandem an sich genommen wurden. Und erst im 16. Jahrhundert, als diese Schriften wiederentdeckt wurden, begann der Siegeszug dieser philosophischen Betrachtungen. Und man hat dann diese Selbstbetrachtungen auf Marc Aurel und auf sein politisches Handeln projiziert. Und heute ist er in der Tat oft als der "Philosoph auf dem Kaiserthron" bekannt. Wir wollen in der Ausstellung zeigen, dass unser heutiges Bild ein ganz anderes ist als das, wie ihn die Römer gesehen haben.
Aber Sie bieten auch den Besuchern Gelegenheit zur Selbstbetrachtung, indem sie sich zu philosophischen Sprüchen von Marc Aurel pro oder contra äußern können.
Uns war wichtig, die Besucher interaktiv in der Ausstellung mitzunehmen. Es ist sehr anspruchsvoll, sich mit antiker Philosophie und Marc Aurel auseinanderzusetzen. Wir haben darum vier Sprüche aus den "Selbstbetrachtungen" ausgewählt, und da können die Besucher abstimmen, ob sie diesen Sätzen, die Marc Aurel vor 1.800 Jahren geschrieben hat, zustimmen oder nicht. Und wir sind selbst gespannt, wie die Besucher abstimmen werden.
Stephan Pesch
Manchem Politiker und Manager würde das Lesen der "Selbstbetrachtungen" gut tun und die Augen öffnen...