Es handelt sich um ein Solostück für Zuschauer ab sieben Jahre: "Die seltsame und unglaubliche Geschichte des Telemachos" bietet aus der Perspektive des Kindes einen anderen Blick auf die griechische Sage vom Helden Odysseus.
Autobiographische Methode
"Wir haben nach der Methode, die wir bei Agora anwenden, uns erstmal eine Woche lang zusammengesetzt, haben improvisiert, haben aus eigenen biographischen Geschichten Bezüge hergestellt zu dem Stoff", sagt Felix Ensslin. Er führt zum ersten Mal Regie bei einer Kinderproduktion und hat zusammen mit Galia De Backer und der jungen Schauspielerin Ninon Perez den Text zu dem Stück geschrieben. Sie war auch schon in den Agora-Inszenierungen "Hannah Arendt auf der Bühne" und "Die drei Leben der Antigone" zu sehen.
Zum Inhalt der Inszenierung: Telemachos lebt auf der griechischen Insel Ithaka und geht dort zur Schule. Heute ist er an der Reihe: Er hält ein Referat vor der gesamten Klasse. Gestern ist ihm jedoch etwas Unglaubliches passiert: Er erhielt - unter seltsamen Umständen - eine Götterzeitung. Durch sie erfährt er zum ersten Mal in seinem Leben direkt die Abenteuer seines Vaters, des Helden Odysseus, König von Ithaka.
In Telemachos Kopf schwirren viele Fragen: "Vater. Wo bist du? Wer bist du? Wer bin ich?" Um sich herum hört er immer wieder: "Du bist der Thronfolger! Du bist der Sohn des Helden!" Manchmal fragt er seine Mutter: "Bist du sicher, dass er zurückkehren wird?"
Telemachos beschließt, diese Fragen gemeinsam mit den Zuschauern, seinen Mitschülern, weiter zu erforschen. Mit Hilfe der Götterzeitung erleben sie Abenteuer mit erstaunlichen Kreaturen und folgen dabei den Spuren seines Vaters auf der Suche nach Telemachos' eigener Geschichte.
Held oder Vater
"Ich denke, wir kennen das: Familien bleiben zusammen, Familien trennen sich, ihre Zusammensetzung ändert sich, Stichwort: Patchworkfamilien", erklärt Felix Ensslin. "Und damit beschäftigen sich Kinder natürlich dann auch, indem sie es selber erleben oder bei ihren Freunden erleben. Das war der Ausgangspunkt."
Die Geschichte von Homer liefere dazu viele Ansätze: "Welche Phantasien entwickelt ein Kind darüber, wie ist das, wenn man nur vom Vater hört, seine Heldengeschichten kennt, aber ihn nicht als Person kennenlernt?" sagt Ensslin: "Bis am Ende Telemachos zu dem Schluss kommt, dass ihn nicht so sehr der Ruf seines Vaters als Held und als König interessiert, sondern dass es sein Vater ist, und er hofft, ihm begegnen zu können."
Figuren der Mythologie
Die Entscheidung für ein Solostück habe übrigens nichts mit den aktuellen Einschränkungen wegen der Corona-Krise zu tun: "Die vage Idee zu einer Art dieses Stückes schwebt dem Künstlerischen Leiter Kurt Pothen schon länger vor, wir haben öfter schon darüber gesprochen", erklärt Ensslin. "Es ging uns rein spielerisch, künstlerisch darum, dass eine Person diese verschiedenen Figuren auch spielt beziehungsweise herbeiruft oder verkörpert, wenn es um die mythologischen Figuren geht: die Sirenen, der Zyklop, andere Monster, die auftauchen in dieser Geschichte."
Damit lehne sich die Inszenierung auch daran an, wie Kindern Geschichten erzählt oder vorgelesen werden. "Da gibt es ja auch unterschiedliche Figuren, unterschiedliche Stimmen. Und das wollten wir als Bühnenerlebnis zentrieren. Insofern ist das keine Antwort, die wegen Corona entstanden ist, aber eine Antwort, die auf Corona passt."
Startklar sein
Auf der anderen Seite setze die Krise auch einer Theatergruppe wie Agora zu, nachdem im vergangenen Jahr fast alle Vorstellungen ausgefallen sind: "Wir dürfen proben - mit Auflagen - und sind froh, wenigstens diesen Teil unserer Arbeit fortsetzen zu können", so Felix Ensslin. "Und wir wollen startklar sein, sobald die Einladungen kommen, sobald wir in die Schulen und Theater gehen können."
Die Online-Premiere auf YouTube läuft ab Sonntag, dem 31. Januar, um 15:00 Uhr. Das Video bleibt eine Woche lang online. Verknüpft ist die Online-Premiere mit einer Spendenaktion zugunsten des Hilfwerks Refugee4Refugees. Das ist eine Organisation, die sich der humanitären Krise in den Lagern auf den griechischen Inseln Lesbos und Samos annimmt.
Stephan Pesch