Eine wahre Traumbesetzung hat Lüttichs Operndirektor für die Eröffnungsproduktion der neuen Spielzeit engagieren können. Allen voran die russische Sopranistin Svetlana Aksenova. Sie ist "die" Madama Butterfly unserer Tage. Weltweit singt sie die Rolle der Geisha Cio-Cio San und dies seit Beginn ihrer Karriere, wie sie uns im Interview bestätigte.
Seit 2009 war sie über 70 Mal die Butterfly und dies in 17 verschiedenen Produktionen. Jetzt übernimmt sie maximal zwei Mal im Jahr die Partie, denn es ist eine auch emotional sehr fordernde Rolle und sie möchte nicht nur "die Butterfly" sein.
Tatsächlich durchlebt Svetlana Aksenova wie nur wenige das Schicksal der jungen Cio-Cio San. Bei ihr wird jede Arie zur glaubhaften Aussage, stimmlich ohnehin perfekt, ebenso im Ausdruck berührend und ehrlich.
Höhepunkt des Abends war die berühmte Arie "Un bel di vedremo", in der die Geisha auf die Rückkehr ihres Gatten Pinkerton wartet. Svetlana Aksenova bewegt jeden, nicht nur durch ihre Stimme auch durch ihre Mimik.
Von einem einzigen Spot angestrahlt ist der Fokus auch optisch auf sie gerichtet. Dass sie eben nicht nur atemberaubend schön und berührend singen sondern auch mit ihrem meist sehr zurückhaltenden aber intensiven Spiel zu überzeugen versteht, zeigte sie schon Ende vergangener Saison im "Märchen vom Zaren Saltan" in der Brüsseler Oper.
Aber Svetlana Aksenova ist nicht die Künstlerin, die die Kollegen an die Wand spielen möchte. Nein, sie ist ein Teamplayer und in Lüttich stehen ihr mit dem Tenor Alexey Dolgov als Pinkerton, Mario Cassi grandios als Sharpless und Sabina Willeit als stets devote Dienerin Suzuki perfekte Partner zur Seite.
Hinzu kam, dass Speranza Scappucci am Dirigentenpult für eine sehr präzise, jedes Detail achtende orchestrale Interpretation des Dramas sorgte. Bei Scappucci gibt es kein falsches Pathos, da wird nicht in Larmoyanz verfallen, da dürfen natürlich die Rubati nicht fehlen, die die jeweilige Stimmung und Dramatik auch rein musikalisch zum Ausdruck bringen. Aber Kitsch gibt es hier nicht. So wurde diese "Madama Butterfly" auch vom Orchester her überzeugender Puccini.
Der Hausherr höchstpersönlich, Stefano Mazzonis di Pralafera übernahm die Regie. Ein großes Lob zunächst an die Kostümabteilung um Fernand Ruiz, die rund 60 Kimonos sind eine Augenweide. Das Bühnenbild wird im ersten Akt von einem typisch japanischen Haus bestimmt, in Akt zwei hat sich Cio-Cio Sans Anwesen "veramerikanisiert". Sie ist ja jetzt die Gattin des ihr sehr schnell untreu gewordenen Pinkerton.
Dass dieser dann mitsamt Gefolge in einem Hubschrauber auf dem Dach des Domizils der Madama Butterfly landet, kann man als die allgegenwärtige Suprematie der Amerikaner deuten, sieht aber eher nach dem Landeanflug des berühmten Hubschraubers aus alten Sandmännchentagen aus.
Und dass Mazzonis die Handlung in soweit interpretiert, dass Cio-Cio San ihre Schwangerschaft nur phantasiert hat, und der Kinderwagen letztendlich leer ist, kann mich nicht ganz überzeugen, zumal sowohl Text als auch die Musik eine andere Lesart quasi aufdrängen. Dies kann den Gesamteindruck einer wirklich glanzvollen Saisoneröffnung aber nur unwesentlich schmälern.
Bis zum 28. September steht "Madama Butterfly" auf dem Spielplan der Lütticher Oper. Aufgrund der dichten Aufführungsfolge ist für die beiden Hauptpartien eine Doppelbesetzung vorgesehen.
Hans Reul