So kennen wir die Lütticher Oper, und das ist auch ihr Erfolgsgeheimnis: Intendant Stefano Mazzonis versteht es immer wieder großartige Sängerinnen und Sänger ans Haus zu verpflichten und mit "I Puritani" ist ihm und dem gesamten Team wieder ein grandioser Coup geglückt.
Mit dem Tenor Lawrence Brownlee und der Sopranistin Zuzana Markova gastierten zwei Solisten in der Massstadt, die jedem Weltklassehaus gut zu Gesichte stehen würden. Das war Belcanto vom Allerfeinsten und musikalisch ebenso bei der Lütticher Chefdirigentin Speranza Scappucci in den besten Händen.
Scappucci versteht es der Musik von Vincenzo Bellini tiefere Bedeutung zu geben, sich nicht nur auf ein reines Begleiten zu beschränken, sondern aus dem Orchestergraben die Spannung des Dramas deutlich zu machen. Zudem hat sich Scappucci dafür entschieden, das Werk im Gegensatz zur sonst üblichen Praxis integral ohne jeden Strich aufzuführen, eine besondere Herausforderung für Orchester und Sänger. Aber dem werden alle, wirklich alle, mehr als gerecht.
Die Handlung des rund dreieinhalbstündigen Werks spielt in England zur Zeit Oliver Cromwells. Die den Puritanern zugehörende Elvira liebt Arturo, einen Vertreter der mit ihnen verfeindeten Royalisten. Er lässt Elvira am Hochzeitstag sitzen, um die Königin Enrichetta zu retten. Darüber verfällt Elvira dem Wahnsinn, wird aber - oh Wunder - wieder gesund und die beiden könnten am Ende dann doch noch ein glückliches Paar werden.
Aber Elvira wird abermals von schrecklichen Visionen heimgesucht und fühlt sich wieder von ihrem Geliebten verlassen. Sie ruft um Hilfe und lässt Arturo in Todesqualen zurück.
Regisseur Vincent Boussard hat der Handlung noch einen Nebenstrang hinzugefügt. Er bringt „I Puritani“ als eine Art Requiem auf den Komponisten Vincenzo Bellini auf die Bühne.
Bellini starb kurz nach der Uraufführung von "I Puritani" im Alter von nur 34 Jahren. So sehen wir Bellini und dessen Totenmaske gleich zum Auftakt der Oper, begeben uns dann in einer kurzen Videoeinspielung auf dem Gazevorhang auf die Suche nach Bellinis Grab auf dem Pariser Friedhof Père Lachaise und ganz zum Schluss der Oper, nachdem sich die Protagonisten im Stile des "Theaters im Theater" zur Bühnenrückwand hin verbeugt haben, steht Bellini alleine an seinem Grab.
Das kann man so machen, muss man aber nicht. Zur Erhellung der Geschichte trägt es keineswegs bei, zumal der Auftritt eines ebenfalls zugefügten schwarzen Todesengels während der gesamten Oper auch nicht so kohärent wirkt.
Ganz anders die wirklich phantastische stimmliche Leistung aller Solisten. Ich glaube einen besseren Arturo als den amerikanischen Tenor Lawrence Brownlee kann man derzeit nicht finden. Mit welcher Eleganz und Leichtigkeit, welcher Intensität und Präzision er selbst die höchsten Töne, die in dieser Oper weit über das berühmt-berüchtigte "hohe C" hinausgehen, trifft, ist von einem atemberaubend tenoralem Wohlklang.
Ihm steht mit Zuzana Markova die ideale Elvira zur Seite. Die lyrischen Melodiebögen wie die dramatischen Wahnsinnsszenen setzt sie genial um. Nie verliert ihre Stimme selbst in den schwierigsten Passagen die ansprechend schöne Farbgebung.
So klingt die Saison 2018-2019 in der Lütticher Oper mit einem perfekten Belcanto-Abend aus. Bis zum 28. Juni steht "I Puritani" noch auf dem Programm.
Hans Reul