"Das ist eine beträchtliche Verpflichtung. Als Reaktion auf eine beträchtliche Bedrohung". Nato-Generalsekretär Mark Rutte ist zwar nicht als emotional bekannt, aber im tiefsten Inneren dürfte er doch erleichtert gewesen sein. Denn es war nicht nur ein historischer Nato-Gipfel, sondern auch der Gipfel aller Gefahren.
Das jedenfalls dürfte der Grund dafür gewesen sein, warum Rutte den US-Präsidenten Donald Trump so auffallend hofiert hat. Der Niederländer schmierte dem Gast aus Washington derartig Honig um den Bart, dass es fast peinlich war.
"Geschmackssache", entgegnete Rutte, als ihn Journalisten darauf ansprachen. Lob für den US-Präsidenten sei durchaus angebracht. "Denn, seien wir doch mal ehrlich: Glaubt hier irgendjemand, dass wir ein solches Ergebnis bei diesem Gipfel erzielt hätten, wenn Donald Trump nicht wiedergewählt worden wäre?", sagte Rutte. "Glaubt irgendjemand, dass die säumigen Länder, die das Zwei-Prozent-Ziel bislang nicht so ernst genommen hatten, dass die ansonsten ihren Verteidigungshaushalt quasi über Nacht erhöht hätten?"
Diese Beschreibung passt ziemlich genau auf Belgien. Und, in der Tat: Rutte hat da wohl einen Punkt. Die Arizona-Koalition wollte das Zwei-Prozent-Ziel der Nato laut Regierungsabkommen erst gegen 2029 erreichen. Dass man jetzt hopplahopp doch seine Hausaufgaben gemacht hat, das hat wohl zumindest "unter anderem" mit der Wiederwahl von Trump zu tun.
"Zugegeben: Wir gehörten bislang zu den säumigen Ländern, waren so ein bisschen die Trittbrettfahrer", sagte Premierminister Bart De Wever in De Haag. Deswegen sei es für ihn denn auch so wichtig gewesen, die Hausaufgaben vor dem Gipfel noch zu machen. Denn ansonsten hätten die Belgier den Partnern wohl nicht mehr unter die Augen treten können.
Die Erhöhung des Verteidigungsetats auf den Gegenwert von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes, das war schon ein Kraftakt. Das entspricht Mehrausgaben von 38 Milliarden Euro innerhalb von neun Jahren. Das ist enorm für ein Land, das ohnehin schon "dauerklamm" ist, und das gerade erst einen "Blauen Brief" der EU-Kommission bekommen hat. Ganz zu schweigen von dem, was jetzt in De Haag beschlossen wurde.
Denn, es hat sich nichts mehr geändert: Die Nato-Staaten verpflichten sich dazu, ihre Verteidigungsausgaben bis 2035 auf fünf Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes anzuheben. 3,5 Prozent sollen in Rüstungsgüter investiert werden; die verbleibenden 1,5 Prozent in sogenannte "verteidigungsrelevante" Bereiche, zum Beispiel Infrastruktur.
Aber besagte 3,5 Prozent für reine Rüstungsausgaben, das ist für einige Länder eigentlich unrealistisch. Das gilt auch für Belgien, das räumte auch Premierminister De Wever ein. "Klar: Es gibt bessere Neuigkeiten; aber wir haben immerhin eine längere Frist und Flexibilität aushandeln können. Und vor allem: eine Überprüfung der Ausgabenziele 2029 im Lichte der Sicherheitslage. Heißt: Es kann sein, dass man 2029 sagt, dass die fünf Prozent vielleicht zu hoch gegriffen waren. Genau das scheint man in einigen Hauptstädten jedenfalls zu hoffen.
Die spanische Regierung wollte sich nicht auf das Prinzip Hoffnung verlassen. In Madrid interpretiert man die am Mittwoch beschlossene Einigung anders. Es ist so: Eigentlich hat die Nato nur Kapazitätsziele ausgegeben, die dann eben beziffert wurden mit 3,5 Prozent. Spanien glaubt, dass man diese Ziele auch erreicht, wenn man nur 2,1 Prozent des BIP dafür aufbringt. "Kann man so sehen, muss man nicht", sagt Generalsekretär Rutte. "Ohnehin werden wir 2029 eine Bestandsaufnahme machen".
Premier Bart De Wever fand indes den spanischen Ansatz auch schon interessant; aus den nachvollziehbaren budgetären Gründen. Er wird sich aber vielleicht nochmal überlegt haben, nachdem er sich später am Nachmittag aber die Presskonferenz von Donald Trump angehört hat. Der war nämlich stinksauer auf Spanien. Spanien sei das einzige Land, das nicht bezahlen will, sagte Trump. Und das werde Madrid bezahlen; in Form von Handelsbarrieren. Denn das sei "unfair", so der US-Präsident.
Die Allianz ist aber eben nicht auseinander geflogen. Trump soll sich auch ausdrücklich zur Nato-Beistandsklausel bekannt haben, wobei er sich da immer wieder flattrig gezeigt hat. Für den Generalsekretär sind indes alle Zweifel unbegründet: "Die USA fühlen sich der Nato gegenüber zu hundert Prozent verpflichtet, auch der Beistandsklausel. Wie oft sollen sie das noch wiederholen", sagte Rutte.
dpa/mh