Hadja Lahbib ist innerhalb der EU-Kommission unter anderem für den Krisenschutz zuständig. Und die ehemalige belgische Außenministerin nimmt ihren neuen Job offensichtlich sehr ernst: Mittwoch legt sie der EU-Kommission ihre neue Strategie vor zur Vorbereitung von Krisen und auch dem Umgang damit.
Lehren aus der Vergangenheit ziehen
Eigentlich liegt das allein in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die EU-Kommission will den Ländern mit ihrem Vorstoß aber einen sanften Schubser geben. "Wir sollten einfach nur die Lehren aus der Vergangenheit ziehen", sagte Lahbib in der RTBF. "Die Pandemie oder auch der Krieg in der Ukraine zeigen, dass wir uns auf alle Eventualitäten vorbereiten müssen, auf das Unwahrscheinliche und sogar auf das Schlimmste. Hier darf man allerdings nicht kopflos agieren, sondern muss methodisch, verantwortungsvoll und besonnen vorgehen."
Hadja Lahbib weiß, dass sie hier auf einem schmalen Grat unterwegs ist, ein schmaler Grat zwischen Prävention und Panikmache. Eben deswegen verweist sie auch auf die Vergangenheit, auf das Erlebte. "Wir wissen inzwischen, dass unerwartete Ereignisse eintreten können, wir wissen, dass Krieg nach wie vor möglich, beziehungsweise ja auch schon im Gange ist, in der Ukraine, auf unserem Kontinent. Deswegen sollte man sich also besser vorbereiten."
Putin: Ukraine ist erst der Anfang
Lahbib ist freilich nicht die Einzige, die so denkt. Vor allem in den skandinavischen Ländern laufen bereits Sensibilisierungskampagnen. Und dort wird meist auch nicht lange um den heißen Brei geredet, da wird vor dem Hintergrund der Bedrohung durch Russland sogar ausdrücklich vor einem möglichen Krieg gewarnt.
Und damit reagieren die Behörden eigentlich auch nur auf das, was man aus der Kommunikation des Kremls ableiten kann: Dass die Ukraine erst der Anfang ist und dass das Putin-Regime mehr denn je darauf bedacht ist, das Territorium der alten Sowjetunion wiederherzustellen. "Mindestens", denn die Sabotage- und Spionageaktivitäten in der Ostsee mögen ein Indiz dafür sein, auf welche Region sich der Moskauer Fokus richten könnte.
Der EU-Kommission ist bei alledem vor allem wichtig, dass die Mitgliedstaaten hier koordiniert vorgehen. Man müsse da nicht bei Null anfangen, sagt die EU-Kommissarin. In vielen Bereichen gebe es schon Solidaritätsmechanismen, also zum Beispiel bei der Waldbrandbekämpfung. Daneben müssen die Staaten aber auch strategische Reserven anlegen, etwa mit Blick auf die Energieversorgung. Dafür gebe es auch schon entsprechende EU-Vorgaben.
Grundversorgung aufrechterhalten
Darüber hinaus verfügt auch die EU inzwischen über strategische Reserven, zum Beispiel Medikamente, Schutzmasken oder Zelte. Das alles existiert, aber die Vergangenheit lehrt uns, dass hier die Zähne noch viel besser ineinandergreifen müssen, als das bisher der Fall war.
"Man muss sich das vorstellen wie einen menschlichen Körper", sagt Hadja Lahbib: "Jedes Körperteil muss wissen, was es zu tun hat. Die EU und auch die Mitgliedstaaten müssen dafür sorgen, dass die Grundversorgung aufrechterhalten bleibt, dass die Kinder weiter zur Schule gehen, die Industrie weiter produzieren, die Krankenhäuser und auch die Häfen und Airports weiter funktionieren können."
"Anders gesagt", so die EU-Kommissarin: "Wir dürfen nicht mehr in dieselbe Falle tappen wie während der Pandemie". "Und das fängt eigentlich bei jedem Einzelnen an. Jeder sollte eigentlich darauf vorbereitet sein, während 72 Stunden alleine zurecht zu kommen: Wasserreserven, Nahrungsmittel in Konservendosen, und auch Licht; und natürlich ein kleiner Erste-Hilfe-Kasten mit den nötigsten Medikamenten. Jeder hat in einer Krisensituation seine Rolle zu spielen."
Roger Pint