"Der 24. Februar 2022 wird für immer ein Tag der Schande sein". EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fand in Kiew klare Worte. Von der Leyen war an der Spitze einer hochrangigen EU-Delegation, die den dritten Jahrestag des russischen Angriffs eben in der Ukraine begehen wollte, dem Land, das sich seit drei Jahren verzweifelt gegen den Aggressor zur Wehr setzt und dafür einen hohen Blutzoll zahlt.
Neben von der Leyen waren die Staats- und Regierungschefs von insgesamt 13 Staaten nach Kiew gereist, um dort ein Gipfeltreffen abzuhalten. "Untermalt" wurde das übrigens mit Luftalarmsirenen. Die ukrainischen Behörden hatte vor möglichen russischen Raketenangriffen gewarnt.
"Hier geht es nicht nur um das Schicksal der Ukraine, sondern hier geht es um das Schicksal Europas", betonte von der Leyen. Deswegen wollen wir die Ukraine weiter mit aller Macht unterstützen.
Hochsymbolisch war der Besuch der EU-Delegation aber auch vor dem Hintergrund des jüngsten Gepolters aus Washington. US-Präsident Donald Trump will ja angebliche "Friedensgespräche" allein mit Russland führen, ohne die Ukrainer und auch ohne die Europäer. "Das wird nicht funktionieren - dem werden wir nie zustimmen", wiederholt man auf dem Alten Kontinent seit einigen Tagen unentwegt.
So auch an diesem Montag nochmal der neue belgische Premierminister Bart De Wever, der sich in einer Videobotschaft an die Anwesenden in Kiew wandte. Belgien werde nie akzeptieren, dass Entscheidungen über die Zukunft der Ukraine oder die Sicherheit und Stabilität Europas gefällt werden ohne die Beteiligung der Ukraine oder seiner europäischen Verbündeten.
Der Adressat dieser Botschaft war nicht nach Kiew gekommen und hatte auch keine Vertreter entsandt. Und doch schwebte der Geist von Donald Trump natürlich über dem Gipfel in Kiew. Das galt auch für das Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. Dabei einigten sich die Vertreter der 27 EU-Staaten insbesondere auf das inzwischen 16. Sanktionspaket gegen Russland. Die EU macht demonstrativ so weiter wie bisher, also ungeachtet der neuen Entwicklungen, die ja im Grunde nur einseitig von Trump ausgehen.
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas sprach es in Brüssel offen aus: Wir wollen die Ukraine weiter stärken. Denn: Wenn die Ukraine den russischen Angriffen weiter trotzt, dann läuft jeder Plan über die Zukunft des Landes ohnehin ins Leere.
So oder so könne ein Plan über die Zukunft der Ukraine nie funktionieren, wenn man nicht die direkt Betroffenen miteinbezieht, betonte Kallas. Das gelte in erster Linie für die Ukraine, und dann aber auch für die EU.
Für einen Außenminister war das Brüsseler Treffen übrigens eine Premiere: Der neue belgische Außenminister Maxime Prévot redete dann aber auch gleich Klartext. "Einerseits müssen wir weiter Russlands kriegerische Aktionen verurteilen und das Land dafür mit Sanktionen belegen. Und parallel dazu müssen wir auch die Ukraine weiter unterstützen", sagte Prévot. "Und, noch etwas: Die USA wollen heute eine Resolution durch den UN-Sicherheitsrat bringen, in der Russland und die Ukraine auf eine Stufe gestellt werden. Das ist völlig unannehmbar", schimpft der neue Außenminister. "In dieser Geschichte gibt es nur einen Täter und nur ein Opfer. "
Der niederländische Außenminister Caspar Veldkamp hat seinerseits die USA offensichtlich als Partner schon abgeschrieben. "Die Ära, die nach dem Fall der Berliner Mauer begonnen hatte, diese Ära ist jetzt vorbei", sagte Veldkamp. Und, so fügt er hinzu: Wir sind jetzt alle Gaullisten geworden.
"Gaullisten" - damit nimmt der niederländische Außenminister Bezug auf einen inzwischen eigentlich schon angestaubten Disput aus den 1960er Jahren, als einige Europäer während der Präsidentschaft von Charles de Gaulles eher die Nähe zu Frankreich suchten. Ihre Widersacher, die den USA Vorrang einräumten, nannte man damals "Atlantiker", oder heute auch Transatlantiker. Nun, diese Spezies dürfte inzwischen wohl vom Aussterben bedroht sein…
Roger Pint