Es liest sich wie eine Anklage, was da vom europäischen Rechnungshof kommt. "Die EU-Kommission hat ihre Hausaufgaben gemacht, aber sie hat nicht gerechnet." Das sagt die ehemalige belgische Ministerin Annemie Turtelboom, die jetzt für den Rechnungshof arbeitet.
Ihr Einwand: Wenn bis 2030 schon 30 Millionen emissionsfreie Autos auf den Straßen rollen sollen, dann hat die Batterieindustrie bei Weitem nicht genügend Kapazität, so viele Batterien überhaupt herzustellen. Die Batterie ist das Herzstück von E-Autos.
Aus der Analyse ergeben sich zwei mögliche Schlussfolgerungen: Entweder die EU muss das faktische Verbrenner-Aus für 2035 noch einmal verschieben oder es müssen massenhaft Batterien und ganze Autos aus anderen Weltteilen importiert werden. Beides schlechte Lösungen.
Europas Attraktivität wackelt
Derzeit baut Europa jährlich Batterien für E-Autos mit einer Speicherleistung von 70 Gigawattstunden. In den nächsten sieben Jahren müsste Europa diesen Betrag versiebzehnfachen, um die eigenen Ziele zu erreichen. Da gibt es Zweifel, dass Europa für die Hersteller ein ausreichend attraktiver Standort für die Batterieproduktion ist.
Andere Weltregionen wie die USA bieten der Branche hohe Subventionen. Überhaupt hinkt Europa jetzt schon hinterher. Big Player bleibt China. Das Land produziert derzeit drei Viertel aller Batterien für E-Autos im Alleingang.
China hat die Rohstoffe
Turtelboom warnt, dass die europäische Batterieindustrie nicht in die gleiche Abhängigkeit geraten darf wie die Erdgasindustrie gegenüber Russland. Für wichtige seltene Erden wie Lithium, Mangan oder Kobalt ist Europa jetzt schon abhängig von Australien, Südafrika und dem Kongo.
Es gibt zwar Orte in Europa, an denen Europa diese Metalle selbst aus dem Boden gewinnen könne, aber bis diese Lagerstätten erschlossen sind, würden 15 Jahre vergehen. Das wäre viel zu spät. Es fehlen also nicht nur Hersteller, sondern auch die Rohstoffe.
Werden E-Autos bezahlbar?
Bei Massenimporten aus Übersee würde die Autoindustrie in Europa wohl unter die Räder kommen. Eine andere Frage ist, ob die Elektroautos aus Übersee überhaupt nach Europa kommen. Turtelboom befürchtet, dass Elektroautos für die europäischen Bürger "unerschwinglich" bleiben. Die Rohstoffe Nickel und vor allem Lithium bleiben teuer. Eine Batterie ist derzeit doppelt so teuer, wie für Ende 2022 prognostiziert worden war.
Das Fazit des Rechnungshofs: Ein bezahlbares Elektroauto für Jedermann bis 2035 sollte das Ziel bleiben, dafür muss man aber die Förderung von Rohstoffen und die Produktion von Batterien in Europa auf Vordermann bringen.
hbl/okr