Bisher hatte vor allem WM-Gastgeber Katar im Rampenlicht gestanden. Auslöser für die Ermittlungen der belgischen Justiz zum potenziellen Korruptionsskandal im Europäischen Parlament waren Geheimdienstberichte. In denen ging es um mögliche Schmiergeldzahlungen an aktuelle und ehemalige EU-Parlamentarier.
In Berichten des Geheimdienstes geht es um Marokko
In diesen Geheimdienstberichten ging es aber vornehmlich nicht um Katar, sondern um Marokko. Das berichten am Mittwoch zumindest die Zeitungen De Standaard und De Morgen. Zum sogenannten "Katargate" wurde die ganze Geschichte dann erst im Laufe der Ermittlungen.
Dass Katar und nicht Marokko im Fokus ist, liegt daran, dass eine - vielleicht sogar die - zentrale Figur in den Marokko-Korruptions-Vorwürfen auch ganz entscheidend für die angebliche Bestechung durch Katar gewesen sein soll, nämlich Pier Antonio Panzeri, der ja gerade in Brüssel in Haft sitzt. Der Ex-EU-Abgeordnete Panzeri soll nach aktuellem Ermittlungsstand der Mann sein, der die Bestechungsgelder von den Katarern bekommen hat, um sie dann weiter zu verteilen, unter anderem an die mittlerweile suspendierte Vizepräsidentin des EU-Parlaments, Eva Kaili.
Schlüsselfigur Pier Antonio Panzeri hat enge Bindung zu Marokko
Panzeri soll aber auch an andere Katar-Parteigänger innerhalb und außerhalb des EU-Parlaments Geld verteilt haben. De Standaard zum Beispiel nennt ihn deswegen "die Spinne im Netz". Und dieser Panzeri soll eben seit Langem auch mit diversen marokkanischen Prominenten ganz dicke gewesen sein.
Offenbar hat die belgische Justiz die Telefongespräche von Panzeri abhören lassen. Die Abschriften bestimmter Telefonate haben die Belgier dann an ihre italienischen Kollegen geschickt. Woraufhin, so berichtet es die italienische Presse, die Frau und die Tochter von Panzeri an ihrem Wohnort Bergamo verhaftet worden sein sollen. Belgien soll auch ihre Auslieferung beantragt haben. In diesen mitgehörten Gesprächen soll es nämlich unter anderem um einen Urlaub im Wert von 100.000 Euro gegangen sein. Außerdem sollen die Panzeris auch teure "Geschenke" transportiert haben. Geschenke, die von einem marokkanischen Diplomaten gekommen sein sollen, der heute Botschafter in Polen ist.
Inwiefern sich diese "Geschenke" auf die Tätigkeiten Panzeris ausgewirkt haben, ist nicht leicht zu sagen. Gerade, wenn die Ermittlungen noch laufen und es keine offiziellen Aussagen vonseiten der Justiz oder anderer Verantwortlicher gibt, ist Vorsicht angebracht. Es scheint aber, als ob Panzeri sich sowohl bei seiner Arbeit als EU-Parlamentier als auch später als Vorsitzender einer Nichtregierungsorganisation sehr nachsichtig gegenüber Marokko gezeigt haben soll.
Panzeri hat sich im Unterausschuss für Menschenrechte für Marokko stark gemacht
So war Panzeri zum Beispiel 2017 Vorsitzender des Unterausschusses des EU-Parlaments für Menschenrechte. Dieser Unterausschuss hat unter anderem einen Bericht geschrieben, in dem es um Marokko und sein Vorgehen in der sogenannten Westsahara geht, einem Gebiet am Atlantik, das zwar von Marokko beansprucht und de facto kontrolliert wird, aber in dem es seit Jahrzehnten auch Unabhängigkeitsbestrebungen gibt.
Marokko werden in diesem Konflikt auch Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen. Und Panzeri soll sich in diesem Ausschuss auffällig stark gemacht haben für die Position Marokkos. Besagter marokkanischer Botschafter, von dem die Geschenke an die Familie Panzeri gekommen sein sollen, soll Panzeri sogar ausdrücklich gelobt haben für dessen Arbeit am Menschenrechtebericht.
Marokko-Aspekt der Ermittlungen ist allerdings aktuell noch sehr vage
Doch: Der ganze Marokko-Aspekt ist aktuell noch recht vage. Es ist zum Beispiel nicht bekannt, worum es sich bei den angeblichen "Geschenken" gehandelt hat. Es soll, im Gegensatz zu den Katar-Ermittlungen, auch noch keine Beweise für Zahlungen geben.
Die föderale Staatsanwaltschaft will zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mal offiziell bestätigen, dass die Katar-Ermittlungen auch einen Marokko-Teil haben. Und der marokkanische Botschafter selbst schweigt sich aus zu den Vorwürfen.
Boris Schmidt
Die Wirklichkeit schreibt noch immer die besten Geschichten.Das sieht man an diesem Skandal.Es findet sich alles für einen zünftigen Politthriller, dh viel, sehr viel Geld in Koffern; schöne Frauen; Spiel um Macht und Einfluss. Der Unterhaltungswert ist nicht zu unterschätzen.Mal was anderes als die ständige Berieselung mit Weihnachtsmusik.Alle am Skandal beteiligten Politiker sollten einen Ehren-Oscar bekommen für besonders gut gemachte Unterhaltung.
Ich glaube kaum, dass die AMPAS genug Geld aufbringen könnte um alle Oskar-Trophäen kaufen zu können.
Gut, dass in den westlichen Demokratien (die manche so gerne mit den übleren Staaten dieser Welt vergleichen) dank Medien, Polizei und Justiz die Bäume der Korruption nicht in den Himmel wachsen!
Gestern kam mir ein Flugblatt in die Hände: "Visit the European Parliament - Be a part of it". Ich musste schmunzeln.
Zusammenfassend lässt sich sagen, daß die Idee der Gewaltenteilung, also mehrere Machtzentren, sich bewährt hat.Die Kontrollmechanismen des Europäischen Parlaments haben versagt, dafür haben andere funktioniert wie Polizei und Justiz.Nur sollte man bedenken, daß ein Staat mit Gewaltenteilung nicht automatisch demokratisch ist.Das hängt vom Wahlrecht ab.
Die Gewaltenteilung ist der Vorteil gegenüber einer Diktatur.Dort ist alles auf den Diktator ausgerichtet.Ist der nicht mehr da, gibt es eine Systemkrise.