Die gute Nachricht: Europa könnte seine Energieversorgung im kommenden Jahr auch ohne russisches Gas aufrecht erhalten - aber problemlos ist das nicht möglich. Das sagt der Thinktank Bruegel. Es würde dann vor allem teuer, so das Fazit.
Wenn das Gas nicht aus Russland kommt, könnte es alternativ von ein bisschen überall sonst kommen. Aber das ist nicht der einzige Ansatz. Das Szenario der Experten sieht auch vor, dass wir auf Jahresbasis zehn Prozent weniger Gas verbrauchen - das sind 400 Terawattstunden. Zum Vergleich: In einem Wintermonat benötigt Europa 440 Terawattstunden. Diese Einsparung sei relativ leicht zu erreichen.
Weitere zehn Prozent des Gasverbrauchs könnte man durch andere Energiequellen ersetzen: Kohle, Öl, Atomkraft, aber auch durch den schnelleren Ausbau von erneuerbaren Energien. Selbst dann müssten andere Lieferanten rund um und in Europa das maximal Mögliche liefern. Dazu zählen Länder wie Norwegen, Aserbaidschan, aber auch nordafrikanische Staaten. Drittens müsste die Versorgungslücke durch importiertes Flüssiggas ersetzt werden. Da stünden dann die USA als Lieferant an erster Stelle.
Lieferungen so einfach hochfahrbar?
Ein Limit sind hier die Hafenterminals, die dieses Flüssiggas in Empfang nehmen, in Gas umwandeln und dann einspeisen. Diese Kapazitäten sind tatsächlich begrenzt. Das funktioniert nur, wenn Europa in den Sommermonaten, wenn weniger Gas verbraucht wird, die Gasspeicher maximal füllt, damit dann im Winter, wenn viel gebraucht wird, Europa auch aus diesen Gasspeichern versorgt wird.
Europa macht das nicht von sich aus, weil es sehr teuer würde. Gerade das Flüssiggas müsste man teuer zum Tageskurs kaufen - hier gibt es keine langfristigen Lieferverträge. Im Gegenteil: Dieses Gas ist schon über langfristige Verträge verkauft. Die Zeitung De Standaard rechnet am Mittwoch vor: 700 Terawattstunden zum Auffüllen der Gaslager kosten zum Tageskurs 70 Milliarden Euro - in der Vergangenheit waren das eher zwölf Milliarden Euro. Das ist fast eine Versechsfachung des Preises, die schreckt schon ab. Wenn Europa jetzt plötzlich beginnt, dieses Gas auf den Weltmärkten zu kaufen, dann treibt das den Preis zusätzlich.
Im Moment liefert Russland noch Gas. Das finanziell denkbar schlechteste Szenario sieht so aus: Russland dreht den Gashahn zu, Europa baut zu hohen Kosten eine Alternative auf und dann nach nur wenigen Monaten liefert Russland wieder. Dann wären die Speicher voll mit teurem Gas, während gleichzeitig wieder günstiges russisches Gas verfügbar ist. Die Versorger würden dann auf hohen Kosten sitzenbleiben. Da wären dann europäische Absprachen und Hilfen nötig, so der Thinktank Bruegel.
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