Seine Regierung habe "ein machtvolles Mandat erhalten, um den Brexit durchzuziehen", verkündete Johnson am Freitagmorgen in seinem Wahlkreis nahe London. Johnson versprach, er werde "das Land einen und voranbringen und sich auf die Prioritäten des britischen Volks fokussieren".
Dem Austrittsabkommen zufolge soll das Land bis Ende 2020 in einer Übergangsphase bleiben. Bis dahin will Johnson einen Vertrag über die künftigen Beziehungen mit der Staatengemeinschaft aushandeln. Die Zeit dafür gilt jedoch als denkbar knapp. Eine Verlängerungsoption um bis zu zwei Jahre, die noch bis Juli 2020 möglich ist, hat der Premier ausgeschlossen. Sollte kein Anschlussabkommen zustande kommen, droht Ende kommenden Jahres wieder ein No-Deal-Szenario.
Großbritannien hat ein relatives Mehrheitswahlrecht. Ins Parlament zieht nur der Kandidat mit den meisten Stimmen in seinem Wahlkreis ein. Alle Stimmen für unterlegene Kandidaten verfallen. Das führt dazu, dass die beiden großen Parteien - Konservative und Labour - bevorzugt werden und bringt in der Regel klare Mehrheitsverhältnisse.
EU-Ratschef Michel hofft auf Klarheit
Nach der Parlamentswahl hofft EU-Ratschef Charles Michel im Ringen um den Brexit auf schnelle Klarheit. "Wir erwarten die Abstimmung des britischen Parlaments über das Austrittsabkommen so schnell wie möglich", sagte Michel am Freitag vor dem zweiten Tag des EU-Gipfels in Brüssel. Es sei wichtig, möglichst bald Klarheit zu haben.
Zugleich gratulierte er dem britischen Premierminister Boris Johnson zum Wahlsieg. Es wird erwartet, dass das Unterhaus am Samstag kommender Woche über das Brexit-Abkommen abstimmt. Eine Zustimmung gilt nach dem klaren Sieg der Tories als sicher.
Labourchef Corbyn auf dem Rückzug
Als Konsequenz aus dem schlechten Abschneiden seiner Partei hat Labour-Chef Jeremy Corbyn einen Rückzug auf Raten angekündigt. Er werde die Partei nicht mehr in einen Wahlkampf führen, sagte der Parteichef in London.
Direkt zurücktreten will er aber nicht. Nach der Niederlage sei ein Reflektionsprozess notwendig, den er als Parteichef begleiten wolle.
Erneutes Unabhängigkeits-Referendum
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon hat nach der Parlamentswahl in Großbritannien angekündigt, für ein zweites Unabhängigkeits-Referendum kämpfen zu wollen. Boris Johnson habe kein Recht, Schottland aus der EU zu nehmen, sagte Sturgeon in der BBC.
Ihre sozialdemokratisch und pro-europäisch ausgerichtete Schottische Nationalpartei (SNP) hat bei der Parlamentswahl in Großbritannien hervorragend abgeschnitten. Sie kommt voraussichtlich auf mehr als 50 der 59 schottischen Sitze im Londoner Unterhaus. Die Konservativen könnten in Schottland komplett leer ausgehen.
Die Schotten haben eine Abspaltung von der EU 2014 in einem eigenen Referendum klar abgelehnt. Der britische Premierminister Boris Johnson steht einem zweiten schottischen Referendum skeptisch gegenüber.
Trump erfreut über Wahlergebnis
US-Präsident Donald Trump hat sich erfreut über das Wahlergebnis in Großbritannien gezeigt. "Sieht nach einem großen Sieg für Boris aus!", schrieb Trump auf Twitter. Beide Politiker stehen sich nahe.
Großbritannien und die USA wollen ein gemeinsamen Handelsabkommen abschließen, sobald Großbritannien aus der EU ausgetreten und nicht mehr an EU-Regelungen gebunden ist. Kritiker befürchten, dass ein solches Abkommen auch sinnvolle Regulierungen der EU - etwa bei Finanzdienstleistungen oder in der Landwirtschaft - zurückfahren wird.
dpa/km