"Dass ich Bayer bin, dass ich Deutscher bin und dass ich auch Europäer bin - ich will, dass das zusammengehört, dass man das in Einheit sieht und nicht als Gegeneinander." Regionale, nationale und europäische Identität - das möchte Manfred Weber verkörpern. Seine bayerische Herkunft ist allein schon wegen des Akzents unverkennbar. In Brüssel kennt sich der Christdemokrat aber gut aus.
2004 wurde er mit damals 31 Jahren erstmals ins EU-Parlament gewählt. Dort hat Weber es mittlerweile zum Fraktionsvorsitzenden der größten parlamentarischen Gruppe, der europäischen Volkspartei geschafft. Breitere Bekanntheit brachte ihm das allerdings nicht ein. Selbst in seiner Heimat in Deutschland war sein Name bis vor Kurzem noch den wenigsten ein Begriff.
Aber was nicht ist, kann ja noch werden, dachte sich Herr Weber wohl. Als Spitzenkandidat seiner Parteienfamilie, der auch die belgischen Parteien CD&V, CDH und CSP angehören, strebt er nun den wichtigsten Posten der Europäischen Institutionen an: die Präsidentschaft der EU-Kommission.
Die Konservativen geben seit Jahren auf europäischer Ebene den Ton an. Auch der derzeitige Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kommt aus ihren Reihen. Dennoch sieht Manfred Weber die EU in ihrer aktuellen Verfassung durchaus kritisch, "weil Europa zu stark von Eliten, von irgendwelchen Diplomaten in Brüssel gestaltet wird und zu wenig von den Menschen".
Derartige EU-Kritik ist auch von Rechtspopulisten wie Marine Le Pen in Frankreich und der AfD in Deutschland zu hören. Weber setzt dem aber eine eindeutig pro-europäische Vision entgegen. Ob bei Migration, Datenschutz oder der Klimapolitik - er plädiert für gemeinsame europäische Ansätze. Zu kleinteilig soll es aber nicht werden. "Wenn ich jetzt Kandidat bin für die Europawahl, dann möchte ich, dass wir die großen Zukunftsfragen des Kontinents, was uns alle in Europa bewegt und betrifft, jetzt gemeinsam entscheiden."
Aller Voraussicht nach werden die Konservativen nach der EU-Wahl am Sonntag erneut die meisten Abgeordneten stellen. Doch ein Wahlsieg macht Manfred Weber nicht automatisch zum nächsten Präsidenten der EU-Kommission. Von einer absoluten Mehrheit dürfte er weit entfernt bleiben, er braucht also weitere Partner. Eine Zusammenarbeit mit Rechtspopulisten wie der Lega aus Italien oder Le Pens Partei aus Frankreich schließt Weber dabei kategorisch aus.
Außerdem entscheidet das Parlament nicht allein. Auch die Regierungen der Mitgliedstaaten haben ein Wörtchen mitzureden. Und insbesondere Frankreichs Präsident Emmanuel Macron gilt nicht als Fan des Kandidaten aus Bayern.
Peter Eßer