"Es ist einmal Zeit, dass es nach 15 Jahren schwarz mal einen sozialdemokratischen Kommissionspräsidenten gibt, damit wir die europäische Politik in sozialer Richtung lenken können." Ganz schwach dringt bei Frans Timmermans der niederländische Akzent im Deutschen durch. Seine Ansage ist dennoch unmissverständlich: Die Konservativen haben in der EU schon zu lange das Sagen. Für mehr Solidarität in Europa braucht die EU-Kommission einen sozialdemokratischen Präsidenten. Angesichts der Krise seiner Parteienfamilie in Europa wird es der Niederländer jedoch schwer haben.
Timmermans scheint bestens geeignet, um möglichst viele Europäer hinter sich zu vereinen. Er spricht Niederländisch, Deutsch, Französisch, Englisch, Italienisch und Russisch. Als ehemaliger Außenminister der Niederlande verfügt er über Regierungserfahrung. Und als amtierender erster Vizepräsident der EU-Kommission kennt er sich mit Europa und den Problemen der EU bestens aus. "Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Grundrechte - man kann nicht einen der Pfeiler gegen die anderen benutzen. Das ist, was bei den Nationalisten geschieht. In Polen wird gesagt, es ist demokratisch so beschlossen worden. Wenn wir wollen, dass es keine demokratischen Richter mehr gibt, dann ist das Demokratie."
Timmermans hat sich nicht nur Freunde gemacht. Als Kommissionsvize ist er maßgeblich an den Strafverfahren der EU gegen Polen und Ungarn wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit beteiligt. Die Regierungen der beiden Länder haben ihn deshalb zum Feindbild auserkoren.
Auch die sozialdemokratisch geführte Regierung Rumäniens ist nicht gut auf den Niederländer zu sprechen. Timmermans wirft seinen Parteikollegen in Bukarest vor, den Justizapparat nach ihrem Geschmack umzubauen. Bei seinem Kampf für die Rechtsstaatlichkeit betont er: "Ich verteidige nicht das Europa, wie es jetzt ist, denn wenn es gut wäre, dann wäre die AfD nicht stark in Deutschland, dann wäre Salvini nicht stark in Italien und so weiter."
Um seine Vision in die Tat umzusetzen, möchte Timmermans ein breites Linksbündnis im EU-Parlament schmieden. Von der griechischen Linken bis zu den niederländischen Liberalen. Das allein dürfte schwierig werden. Hinzu kommt, dass seiner Partei zu Hause in den Niederlanden eine erneute Wahlschlappe droht. Sie könnte mit unter zehn Prozent der Stimmen in der Bedeutungslosigkeit versinken.
Peter Eßer