Das britische Parlament hat den mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Vertrag am Freitag erneut abgelehnt. Nun droht dem Land entweder ein Austritt ohne Abkommen am 12. April oder eine lange Verschiebung des Brexits mit einer Teilnahme an der Europawahl Ende Mai. Ursprünglich wollte Großbritannien die EU bereits an diesem Freitag verlassen. EU-Ratschef Donald Tusk berief einen EU-Sondergipfel ein. Er soll am 10. April stattfinden, teilte Tusk auf Twitter mit.
Für Premierministerin Theresa May ist das Nein des Parlaments ein weiterer herber Rückschlag. Drei Mal wurde der Deal nun abgeschmettert. Für den Fall eines Erfolgs hatte sie ihren baldigen Rücktritt in Aussicht gestellt. Doch auch eine weitere Verschiebung des EU-Austritts wollte sie eigentlich nicht verantworten. Theoretisch könnte May einen weiteren Versuch unternehmen, ihr Brexit-Abkommen durchs Parlament zu bringen. Doch der Druck auf die Regierungschefin scheint jetzt schon unerträglich hoch.
Der britische Oppositionschef Jeremy Corbyn von der Labour-Partei forderte May zum Rücktritt auf. Er verlangt eine Neuwahl. Corbyn sagte im Unterhaus, es sei jetzt das dritte Mal, dass der Deal der Premierministerin zurückgewiesen worden sei. Nun müsse eine Alternative dazu gefunden werden. Dazu habe das Parlament am Montag die Gelegenheit.
Premierminister Charles Michel bedauerte die erneute Ablehnung. In einer Twitter-Nachricht rief er die britischen Entscheidungsträger dazu auf, im Interesse des Landes zu handeln und einen klaren Weg für die Zukunft zu präsentieren.
Testabstimmungen über Alternativen
Am Montag soll das britische Parlament eine zweite Runde an Testabstimmungen über Alternativen zu dem Abkommen abhalten. Bei der ersten Runde hatten sich die Parlamentarier noch nicht auf eine Option einigen können - alle acht zur Abstimmung stehenden Vorschläge wurden abgelehnt. Die meisten Ja-Stimmen entfielen dabei auf ein zweites Referendum über den EU-Austritt und auf den Vorschlag, nach dem Ausscheiden in einer Zollunion mit der EU zu bleiben. Beides scheint nun nicht mehr ausgeschlossen.
Auch Brüssel hat bereits Offenheit signalisiert für Verhandlungen über eine engere Anbindung Großbritanniens an die EU. Auch die Hoffnungen auf eine zweite Volksabstimmung und eine Abkehr vom Brexit sind nicht ganz erloschen. 2016 hatte sich eine knappe Mehrheit der Briten in einem Referendum für den Austritt des Landes aus der EU ausgesprochen.
Das Parlament könnte sich sogar gegen den Widerstand der Regierung mit einer weicheren Brexit-Variante durchsetzen. Dafür müssten die Abgeordneten weitere Tage im Parlamentskalender reservieren und ihren Plan per Gesetzgebung erzwingen. Doch auch ein Austritt ohne Abkommen ist weiterhin möglich, sollte London keine Verlängerung des Brexits mehr erreichen.
Neuer Brexit-Tag ist der 12. April. Voraussetzung für eine weitere Verschiebung ist, dass die Briten an der Wahl zum Europaparlament Ende Mai teilnehmen. Das ist in Großbritannien heftig umstritten.
dpa/belga/est/km