Ein starkes Bild: Die Regierungschefs der drei Benelux-Staaten kommen gemeinsam am Gipfelgebäude an: der niederländische Premier Rutte, umringt von seinen Kollegen aus Luxemburg und Belgien, Bettel und Michel.
Rutte gibt den Sprecher der Gruppe. "Wir hatten gerade ein fruchtbares Gespräch über die Zukunft der Europäischen Union", sagt Marc Rutte. "Wir wollen mit Blick auf den Zukunftsgipfel von Rom unseren Beitrag leisten, damit die EU vorankommt." Vor diesem Hintergrund haben die Benelux-Staaten entschieden, die vier sogenannten Visegrad-Staaten einzuladen, um mit ihnen über die Zukunft zu beraten. Später wolle man das gleiche auch mit den drei baltischen Staaten machen.
Benelux-Staaten als Speerspitze der EU
Also: Die drei Benelux-Staaten, die ja zu den Mitbegründern der EU gehören, wollen quasi die Speerspitze bilden, um die Union in die Zukunft zu führen. Das heikelste Treffen dürfte da wohl das mit den Visegrad-Staaten werden. Dazu gehören Tschechien, die Slowakei, Ungarn und Polen. Alle vier stehen der EU - gelinde gesagt - skeptisch gegenüber.
Wie sehr diese Länder zu unsicheren Kantonisten geworden sind, das hat sich gerade am Donnerstag noch einmal gezeigt. Die polnische Regierung wollte partout verhindern, dass die Amtszeit von Donald Tusk als EU-Ratspräsident verlängert wird. Eine doch befremdliche Situation, schließlich ist Tusk ja auch ein Pole. Sein Problem war - und ist - allerdings, dass er gerade nicht der richtigen Partei angehört. Der in Warschau regierenden national-konservativen PiS-Partei ist Tusk vor allem aus parteipolitischen Gründen ein Dorn im Auge.
Und da half erstmal nichts. Die polnische Regierungschefin Beata Szydlo blieb bei ihrer Ablehnung. Allerdings: Mitstreiter fand sie dafür keine. Die übrigen 27 Mitgliedstaaten haben die Polen dann regelrecht überfahren. Denn, Fakt ist, sagte etwa die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel: Für die Bezeichnung des Ratspräsidenten ist keine Einstimmigkeit erforderlich, sondern allein eine qualifizierte Mehrheit.
Premierminister Charles Michel schlug in exakt dieselbe Kerbe. Natürlich sei es das gemeinsame Ziel, möglichst Einigkeit zu erzielen. Allerdings nicht mehr um jeden Preis. Tusk wurde also in seinem Amt bestätigt: 27 dafür, einer dagegen...
Polen im politischen Abseits
Donald Tusk bedankte sich zwar brav für das in ihn gesetzte Vertrauen, konnte aber seine Enttäuschung über das ganze Theater kaum verbergen. Er versprach feierlich, mit allen Mitgliedstaaten gleichermaßen konstruktiv zusammenarbeiten zu wollen, auch mit seinem Heimatland.
Tusk lässt es sich aber nicht nehmen, der polnischen Regierung einen kleinen Seitenhieb mitzugeben. Wörtlich sagt er, er wolle verhindern, dass sich Polen hier in Brüssel ins politische Abseits manövriert. "Wie glauben Sie denn, wird sich das Verhältnis mit der polnischen Regierung jetzt entwickeln?", wird Tusk gefragt. Nun, so antwortet Tusk: "Ich werde mit der polnischen Regierung Polnisch sprechen. Das ist hoffentlich eine Sprache, die sie verstehen", fügt Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker grinsend hinzu...
Diese Bemerkung mag ein Indiz dafür sein, wie sehr sich die Polen da am Donnerstag ebenso blamiert wie isoliert haben. Regierungschefin Szydlo gab aber die besonders schlechte Verliererin. "Wenn das so ist", so sagte sie trotzig im Anschluss des ersten Gipfeltages, dann wolle sie die Abschlusserklärung des Gipfels nicht mittragen.
Angesichts dieser Drohung ist dann doch dem einen oder anderen der diplomatische Umgangston abhanden gekommen. Ob und inwieweit sich die Gemüter in Warschau wieder beruhigen werden - man wird es sehen. Es mag aber gerade am Freitag, wo es beim Gipfel wieder um die Zukunft der EU ging, ein Zeichen sein, nach dem Motto: Wer nicht konstruktiv mitarbeitet, der muss sehen, wo er bleibt.
Roger Pint - Bild: Thierry Roge/BELGA