"Die Wahl ist eröffnet", sagt Antonio Tajani der frischgebackene Vorsitzende kurz nach Mittag in Straßburg. Das EU-Parlament schreitet zur Abstimmung... Wenige Sekunden später liegt das Ergebnis vor: 408 Abgeordnete stimmten für Ceta, 254 dagegen, bei 33 Enthaltungen. Mit einer doch überraschend großen Mehrheit ist das Freihandelsabkommen mit Kanada damit verabschiedet.
Das ist - zumindest auf Ebene der EU-Institutionen - das Ende eines doch langen Weges. Jahrelang wurde mit Kanada hart verhandelt. Parallel dazu wurde innerhalb der EU mindestens ebenso hart diskutiert, gestritten, debattiert. Und eben diese Debatte gab es kurz vor der Abstimmung dann nochmal in Kurzform. Befürworter und Gegner hauten sich nochmal in Kurzform die Argumente um die Ohren.
Nein zu Ceta aus dem linken, grünen und rechten Lager
Und, wenig überraschend, zeigte sich dabei, dass sich die jeweiligen Positionen keinen Millimeter angenähert haben. Gleich in den ersten Minuten präsentierte die niederländische Abgeordnete Anne-Marie Mineur für die Fraktion der Linken und der Grünen einen Teil einer Petition, die 3,5 Millionen Menschen unterschrieben hätten. Und auch die stünden nur stellvertretend für all die Leute, die gegen Ceta protestiert hätten. Einige von ihnen hatten übrigens am Mittwochmorgen vor dem Parlamentsgebäude in Straßburg Stellung bezogen und protestierten sozusagen ein letztes Mal gegen Ceta.
Die Grünen-Fraktion hakte gleich ein: Ceta ist kein "neues Abkommen", wie es von der Kommission doch immer verkauft werde, sagte Ska Keller von den deutschen Grünen. Im Gegenteil: Ceta reihe sich nahtlos ein, in all die Verträge, die Interessen der Konzerne über die der Menschen und der Umwelt gestellt haben.
Unter den Ablehnern waren aber auch viele Fraktionen vom anderen Ende des politischen Spektrums. Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National aus Frankreich sprach von einem "Schurkenabkommen", das die Völker Europas entmündige. Der Italiener Fabio Castaldo von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung wetterte vom Rednerpult gegen das "Abkommen der Konzerne", gegen die Schiedsgerichte, gegen die angeblich drohende Privatisierung von Wasser oder der Öffentliche Dienste. "Nein zu Ceta", brüllte Castaldi.
All das seien doch Ammenmärchen, erwiderte wenig später der belgische Liberale Louis Michel. "Wir Europäer sind doch nicht so verrückt: Niemand wird Chlorhühnchen essen müssen und die Öffentlichen Dienste werden auch nicht abgebrochen."
Parlament tief gespalten
Nein zu Ceta, aus dem linken, vor allem grünen Lager, und dann auch aus dem rechten bis extrem-rechten. Das verleitete Manfred Weber, den Fraktionsvorsitzenden der Europäischen Volkspartei EVP zu einer beißenden Provokation. "Die Grünen müssen sich ganz kritisch die Frage stellen lassen, ob sie denn in guter Gesellschaft sind, wenn sie mit Le Pen und den Kommunisten gleichzeitig Stimmung machen gegen Ceta. diese Frage muss man stellen dürfen", so Weber. Weber zog zudem Parallelen zwischen den Ceta-Ablehnern und dem derzeit ein bisschen überall zu beobachtenden Populismus. "Donald Trump hat TTP gekündigt, er will Mauern bauen."
Spätestens da platzte aber auch einigen Sozialisten der Kragen. Die sozialistische Fraktion ist gespalten. Unter den Nein-Sagern bei den Roten sind unter anderem die belgischen Sozialisten. "Hier werden doch Karikaturen in den Raum gestellt", wetterte Marie Arena von der PS. Hier wird so getan, als gebe es nur zwei Möglichkeiten: Alle Ablehner sind populistische Protektionisten und die Befürworter des neoliberalen Freihandels, das sind die Guten.
Tief gespalten war das Parlament, und es blieb es auch. Da halfen auch die Antworten und Klarstellungen der EU-Kommissarin Cecilia Malmström nichts, die sich wie gewohnt engagiert in die Debatte stürzte. Sie wiederholte noch einmal, dass Ceta niemanden zu irgendetwas zwingen werde, und das europäisches oder nationales Recht durch den Vertrag nicht ausgehebelt werden könnten. Dann wandte sie sich an das Halbrund: "Jahrelang haben sie, geehrte Abgeordnete, ein faires Freihandelsabkommen gefordert, gut für die Menschen, gut für die Umwelt, das Klima, die Tierrechte. Nun: hier ist es."
Der ostbelgische EU-Parlamentarier Pascal Arimont (CSP) votierte, wie angekündigt, gegen Ceta. In seiner EVP-Fraktion gehörte er damit zu den wenigen Ablehnern. Die übergroße Mehrheit der Konservativen stimmte für das Freihandelsabkommen.
Im BRF-Interview erläutert Pascal Arimont noch einmal seine persönlichen Gründe, warum er Ceta abgelehnt hat.
Roger Pint - Bild: Frederick Florin/AFP